KfW-Konjunkturkompass: Ukraine-Krieg ist Fortsetzung von Corona mit anderen Mitteln
Die konjunkturelle Erholung nach Überwindung der Pandemie schien bereits in greifbarer Nähe – da machte der Ausbruch des Krieges in der Ukraine alle Hoffnungen auf ein rasches Wiedererstarken der Weltwirtschaft zunichte. Die negativen Einflüsse sind zum Teil bekannt, zum Teil neu: Neben den Störungen der Lieferketten und den Materialengpässen gesellen sich nun sprunghaft steigende Energiekosten zu den Negativfaktoren.
Die Folge des Zusammenwirkens aller Störquellen ist eine schmerzhafte Einschränkung der privaten Kaufkraft – dem Motor jeglicher konjunktureller Erholung. Zusätzlich belastend sind die rigiden Anti-Corona-Maßnahmen in China mit ihren radikalen Lockdown-Kampagnen. Das zeigt sich insbesondere am internationalen Handelsdrehkreuz Shanghai.
Stark lädiertes BIP
Das Wachstum des bereinigten Bruttoinlandsprodukts in der Bundesrepublik für das erste Quartal 2022 belegt, wie intensiv sich der Stafettenwechsel von Corona zum Russlandkrieg auf die nationale Wirtschaft auswirkt: Es beträgt nur noch 0,2 Prozent gegenüber dem vorigen Quartal. Und das ist nicht das Ende des Leidenswegs.
Auch in den anstehenden Quartalen wird sich die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland nur in Zeitlupe voranbewegen. Laut KfW-Konjunkturkompass wird sich die Erholung des Konsums im Sommer nur auf ziemlich schwache Zahlen stützen können. Noch ungünstiger sieht es im Winter aus: Hier rechnet die KfW mit einer Stagnation.
KfW senkt die Realwachstumsprognose
Für Deutschland senkt KfW Research die Realwachstumsprognose massiv auf 1,6 Prozent, nachdem sie vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine noch bei 3,2 Prozent gelegen hatte.
Der Abwärtstrend ist damit noch nicht gebrochen: Für 2023 sagt die KfW ein Wirtschaftswachstum von nur noch 1,2 Prozent Prozent voraus. Vor dem Ukraine-Krieg lag der Wert noch bei 2,9 Prozent. Selbst die vorausgesagten 1,2 Prozent Wachstum für 2023 beruhen auf einem teil-optimistischen Ansatz: Zwar geht die KfW von anhaltend hohen Energiepreisen aus, sieht aber kein Embargo bei den Gaslieferungen kommen. Sollte das dennoch eintreffen, dürfte es mit den Wachstumszahlen noch weiter in den Keller gehen.
Hoffnung bei der Inflationsrate
Zumindest die Inflationsrate könnte in der zweiten Hälfte 2022 zurückgehen. Voraussetzung dafür ist allerdings, das die Energiepreise nicht weiter steigen. Trifft das so zu, prognostiziert die KfW für dieses Jahr eine durchschnittliche Inflationsrate von 6,3 Prozent, gemessen am Harmonisierten Verbraucherpreisindex.
Für 2023 liefert der KfW-Konjunkturkompass bei der Inflationsrate ein widersprüchliches Bild. Zwar könnte es zu einem starken Rückgang kommen – dem stehen allerdings hemmende Faktoren entgegen, vor allem die Anhebung des Mindestlohns im Oktober 2022. Unter Einbeziehung aller Faktoren sagt die KfW für 2023 eine Inflationsrate von drei Prozent voraus – auch das noch deutlich über dem anvisierten geldpolitischen Zielwert von zwei Prozent.
Krieg als Bremsklotz beim wirtschaftlichen Aufschwung
“Mit einer durchgreifenden konjunkturellen Belebung ist, anders als vor dem russischen Angriff auf die Ukraine erwartet, erst wieder zu rechnen, wenn die hemmenden Faktoren nachlassen”, kommentiert KfW-Chefvolkswirtin Dr. Fritzi Köhler-Geib die ermittelten Zahlen. Vor allem die noch länger auf hohem Niveau rangierenden Energiekosten stehen einer nachhaltigen Erholung im Weg. Das wird die Kaufkraft auch im kommenden Jahr nachhaltig belasten.
Durch Chinas strenge Corona-Politik befürchtet die KfW selbst bei kleineren Infektionsausbrüchen massive Störungen bei den globalen Lieferketten. Auch dieser Effekt drückt massiv auf die allgemeinen Wachstumsparameter.
Für den Rest des Jahres erwartet die KfW nur moderate Wachstumsraten. Darüber hinaus seien auch stagflationäre Tendenzen denkbar. Die gesamteuropäische Prognose stimmt laut KfW ebenfalls nicht hoffnungsfroh. Hier wirken im Prinzip die gleichen Effekte hemmend auf das Wachstum ein wie bei der bundesdeutschen Vorausschau. Unterschiede in den einzelnen Ländern können sich allenfalls durch abweichende Zeitabläufe bei den Auswirkungen der Meta-Effekte oder durch unterschiedliche Bestimmungen bei der Corona-Abwehr einstellen.