Internetkonzerne lassen in Australien die Muskeln spielen
Zwischen den Online-Giganten Google und Facebook und der australischen Regierung bahnt sich ein Konflikt an, der weltweite Auswirkungen haben wird. Der Ausgang wird zeigen, ob milliardenschwere Unternehmen in der Lage sind, die politische Souveränität ganzer Länder zu beschneiden.
Konflikt zwischen Australien und Internet-Riesen
Ausgangspunkt des Konflikts ist die Initiative Australiens, Internetkonzerne für die Veröffentlichung von Artikeln lokaler Medien zur Kasse zu bitten. Bisher aggregierten die Nachrichten-Services der Plattformen – allen voran Google News – Texte von Redaktionen auf ihren Übersichtsseiten, und das ohne Einschränkungen und ohne Bezahlung. Ein australisches Gesetz zur Einschränkung dieses Geschäftsmodells befindet sich in der Entwurfsphase.
Wie nicht anders zu erwarten, fahren die Internetkonzerne gegen die australische Initiative schwere Geschütze auf. Die Art der Drohungen unterscheidet sich je nach Unternehmen, und auch die Aussagen der Firmenvertreter haben verschiedene Schwerpunkte. Doch die Stoßrichtung ist im Wesentlichen identisch: die mögliche Einschränkung oder gar Einstellung von Dienstleistungen.
Die derzeitige Situation ist ein typisches Szenario der Spieltheorie: Die Kontrahenten haben extrem polarisierte Positionen, bei denen sich ein Einigungsmodell derzeit nicht abzuzeichnen scheint. Gleichzeitig haben sie auch viel zu verlieren: die australische Regierung die Kontrolle über die staatliche Souveränität, die Konzerne markante Anteile ihres Marktvolumens.
Eine Frage der Glaubwürdigkeit
Die Verkündung der eigenen Maximalforderung entwickelt sich lediglich zum Papiertiger, folgen ihr nicht Handlungsweisen, die die Glaubwürdigkeit der verkündeten Position und der sich daraus ergebenden Konsequenzen zweifelsfrei belegen. Die Gegenseite muss zur Gewissheit gelangen, dass der Kontrahent nicht blufft. Das lässt sich vor allem durch die Einleitung zielgerichteter Maßnahmen bewerkstelligen, um sich selbst auf die verkündete Position festzulegen. In der Spieltheorie heißt dieser Schritt glaubwürdige Selbstbindung.
Die Kontrahenten im australischen Machtkampf sind bisher keine Selbstbindung eingegangen. Beide Lager beschränken sich noch auf mehr oder weniger gut kaschierte Drohgebärden, dies auch in der Hoffnung, die Gegenseite möge die eigenen Handlungen und Äußerungen als Selbstbindung verstehen. Da aber beide Seiten mit hoher Wahrscheinlichkeit das Regelwerk der Spieltheorie kennen, dürfte dieser Strategie wenig Erfolg beschieden sein.
Einer glaubwürdigen Selbstbindung kommen derzeit die Internetkonzerne am nächsten, die bereits begonnen haben, Teile ihrer Funktionen und Dienste einzuschränken. So hat Google die Auswahl der gezeigten Nachrichten spürbar eingeschränkt. Die Absicht ist, den Unwillen der Nutzer gegen die Maßnahmen der australischen Regierung zu mobilisieren. Da die eingeschränkten Funktionen allerdings per Knopfdruck wieder aktiviert werden können, ist das Drohpotential nur gering.
Drohgebärden und starke Worte
Hinzu kommen unverhohlene Drohungen. So kündigte die australische Alphabet-Vertreterin Mel Silva bei einer Anhörung vor dem australischen Senat die Sperrung der Google-Suchfunktion an, sollte das Gesetz Wirklichkeit werden. Facebook-Vertreter stießen bei der Anhörung ins gleiche Horn. Sie drohten an, Verlinkungen zu Nachrichtenartikeln zu sperren, und das für Medienhäuser und Nutzer gleichermaßen.
Die australische Regierung kontert hauptsächlich mit markigen Worten, vor allem durch Ministerpräsident Scott Morrison: “Was in Australien erlaubt oder verboten ist, legt das Parlament fest, niemand sonst. So handhaben wir die Dinge in Australien.” Auf Drohungen werde man nicht reagieren, bekräftigt der Ministerpräsident.
Da keine Seite derzeit eine Selbstverpflichtung zur Untermauerung der eigenen Position eingegangen ist, bleibt das Rennen offen, bis eine Seite durch unumkehrbare Maßnahmen Tatsachen schafft. Auf australischer Seite könnte das die Verabschiedung des Gesetzesentwurfs sein. Bei Google und Facebook würde die endgültige Schließung von Unternehmensteilen Fakten schaffen.