Hat das Verschwinden von Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub eine russische Komponente?

Die internen Ermittlungen bei Tengelmann zum Verschwinden des Unternehmenschefs am 7. April 2018 haben neue Erkenntnisse erbracht. Was sich genau in den Schweizer Alpen ereignet hat, bleibt weiterhin im Dunkeln. Nach und nach verdichten sich allerdings die Hinweise darauf, dass es sich nicht um einen Skiunfall handelte, wie ursprünglich angenommen.

Die internen Ermittlungen des Handelskonzerns, die von Bruder Christian Haub geleitet werden, erbrachten bereits in einem frühen Stadium Hinweise auf eine Verwicklung des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB. Diese Spur scheint sich in letzter Zeit verdichtet zu haben.

CIA an der Suche beteiligt

Unterlagen des Unternehmens ist zu entnehmen, dass sich die Tengelmann-Führung bereits kurz nach dem Verschwinden vor drei Jahren mit einem Hilfebegehren an das amerikanische Generalkonsulat gewendet hatte. Ursprünglich dachte man bei dem firmeninternen Suchteam an den Einsatz amerikanischer Aufklärungsdrohnen.

Danach soll es in Bern zu einem Treffen zwischen Firmenvertretern und Angehörigen von FBI und CIA gekommen sein. Beide Behörden hätten eine Zusammenarbeit abgelehnt. Vom amerikanischen Generalkonsulat in Berlin ist dazu kein Kommentar zu erhalten.

Allerdings sollen den Tengelmann-Akten zufolge in den Tagen danach amerikanische Ermittler den Ort der Ereignisse in Zermatt aufgesucht haben. Dort sollen Sie Gespräche mit dem örtlichen Chef der Bergrettung und mit einigen Polizisten geführt haben.

Dass das US-Generalkonsulat auch dazu jeden Kommentar verweigert, deutet auf die tatsächliche Anwesenheit amerikanischer Agenten hin. Wären die Ermittlungen nicht erfolgt, gäbe es keinen Grund gegen ein klares Dementi.

Aktion des FSB würde das Interesse amerikanischer Behörden erklären

Sollten amerikanische Ermittlungsbehörden tatsächlich in die Suche nach dem verschwundenen Tengelmann-Chef involviert sein, könnte das auf die vermutete Beteiligung des russischen Geheimdienstes FSB hinweisen. In der Tat besitzt Karl-Erivan Haub neben einem deutschen und einem amerikanischen auch einen russischen Pass.

Brisant wird der Gedankenschluss mit Russland durch Details aus dem Privatleben des Tengelmann-Chefs. Besonders seine seit knapp zwanzig Jahren bestehende Lebenspartnerschaft mit der russischen Geschäftsfrau Veronika E. lässt das Verschwinden des Unternehmers in neuem Licht erscheinen: Laut Ermittlungen des Tengelmann-Teams soll sie dem FSB angehören.

Lebensgefährtin kurz vor dem Verschwinden abgetaucht

Die Biographie der Beziehung zwischen Karl-Erivan Haub und Veronika E. weist typische Anzeichen russischer Agententätigkeit auf. Das beginnt bereits am Tag des Kennenlernens auf der Feier zum 60. Geburtstag von Haubs Mutter in Sankt Petersburg.

K.’s Interesse an der Natur und an Extremsport scheint exakt auf die Vorlieben des Tengelmann-Chefs zugeschnitten zu sein – genau die Methode, die bereits beim FSB-Vorläufer KGB vielfach geübte Praxis zur Positionierung einer Agentin im Umfeld einer anvisierten Person war.

Auch die aktuellen Ereignisse kurz vor dem Verschwinden des Unternehmers deuten auf eine Verstrickung des russischen Inlandsgeheimdienstes hin. So gab es zwischen beiden ein längeres Telefongespräch am Tag vor dem Ereignis. Das geht aus dem Verbindungsnachweis von Karl-Erivan Haub hervor. Danach tauchte die Frau ab, gemeinsam mit ihrer Mutter.

Die spätere Suche in Russland durch einen Privatdetektiv blieb erfolglos – zumindest, was das Verschwinden von Veronika E. betrifft. Für die Frage, ob der russische Geheimdienst in die Geschehnisse verwickelt ist, brachte die Suche allerdings ein unerwartetes Ergebnis: Der Detektiv erhielt Drohungen, um seine Suche abzubrechen.

Angeblich soll ein russisches Paar, das ebenfalls dem FSB angehört, in Zermatt die Sucharbeiten beobachtet haben. Das hätten spätere Quellenabgleiche ergeben. Anfragen dazu an den Bundesnachrichtendienst blieben bisher unbeantwortet.

Wie sich nun zu erweisen scheint, hatte die seit Jahren beobachtete Verfolgungsangst von Karl-Erivan Haub konkrete Gründe. So habe es wiederholt an ihn gerichtete Erpresserbriefe gegeben. Noch einige Monate vor seinem Verschwinden gab der Unternehmer eine interne Untersuchung in Auftrag. Er befürchtete, abgehört zu werden, was sich bei der technische Prüfung allerdings nicht bestätigen ließ. Ob das auf Wahnvorstellungen oder besonders fortgeschrittene russische Überwachungstechnologie zurückgeht, ist heute nicht mehr nachvollziehbar.