Greensill-Skandal schädigt deutsche Kommunen

Die Finanzpläne zahlreicher deutscher Städte sind durch die Schließung der Greensill Bank massiv gefährdet. Anders als bei Privatanlegern, deren Vermögen größtenteils durch die gesetzliche Einlagensicherung gestützt werden, müssen die Kommunen und andere öffentliche Träger ihre Einlagen bei der durch die BaFin geschlossenen Bank wohl abschreiben.

Etwa 50 deutsche Kommunen haben in gutem Glauben Investments bei Greensill getätigt, meist in Form von hochverzinslichen Festgeldkonten in Millionenhöhe. Nun stehen zahlreiche Stadtverwaltungen, darunter Gemeinden wie Bad Dürrheim, Osnabrück oder Monheim am Rhein im Kreuzfeuer der Kritik.

Auch für Investmentfirmen und Online-Finanzplattformen, die die Greensill-Finanzprodukte vermittelt haben, hagelt es kritische Bewertungen. Selbst die Aufsichtsbehörde BaFin muss sich wegen ihres späten Eingreifens massive Vorwürfe gefallen lassen.

Greensill Capital als Akteur im Hintergrund

Vom Eigner, der australischen Kapitalgesellschaft Greensill Capital mit Sitz in London, hat die deutsche Greensill Bank ihr Geschäftsmodell übernommen. Die Lieferkettenfinanzierung, also das Factoring, macht sowohl bei Greensill Capital als auch bei der Greensill Bank das zentrale Geschäftsfeld aus. Dass dieses zukunftsträchtige Unternehmensmodell in starke Turbulenzen geraten könnte, war zunächst nicht abzusehen.

Unternehmensgründer Lex Greensill, Sohn einer australischen Farmerfamilie, entwickelte die Idee, offene Rechnungen von Lieferanten bis zur Bezahlung zwischenzufinanzieren, zu einem florierenden Unternehmen. Die 2011 gegründete Factoring-Firma kauft den Lieferanten ihre Forderungen ab und holt sich das Geld später vom Kunden wieder. Aus dem Abschlag beim Forderungskauf generiert das Unternehmen seinen Gewinn.

So richtig Fahrt nahm Greensill Capital 2019 nach einer Einlage in Milliardenhöhe der in Japan ansässigen Softbank auf, ein Technologie-Investor, der ebenfalls auf die Lieferkettenfinanzierung spezialisiert ist. Das Investment schien Sinn zu machen: Die gewinnbringende Zwischenfinanzierung durch einen Finanzdienstleister und die gleichzeitige Liquiditätsverbesserung beim Lieferanten schien der Modellfall einer Win-Win-Situation zu sein.

Spezielles Greensill-Geschäftsmodell als Problemquelle

In den letzten zwei Jahrzehnten ist der Anteil der Factoring-Prozesse im Zahlungsverkehr auch in Deutschland stark angewachsen. 2019 betrug der Gesamtumsatz bei Lieferkettenfinanzierungen bereits über 280 Milliarden Euro. Dass die Greensill Bank dennoch in Schieflage geriet, geht offenbar auf ihr abweichendes Geschäftsmodell beim Reverse Factoring zurück.

Beim umgekehrten Factoring tritt der Abnehmer als Initiator des Prozesses auf. Auf diesem Weg erzielt der Lieferant eine Vorfinanzierung seiner Leistung. Der Abnehmer kann gleichzeitig ein längeres Zahlungsziel in Anspruch nehmen. Greensill ist eines von wenigen Unternehmen, die diese spezielle Form des Factorings anbieten.

Die Probleme entstanden, als Greensill Reverse Factoring mit einem Investorenmodell anreicherte. Dabei erfolgt die Zwischenfinanzierung nicht aus Eigenmitteln oder Bankfinanzierungen, sondern über die Einlagen von Kapitalgebern. Die Produkte, die Greensill Investoren zum Kauf anbietet, sind in der Regel Anleihen ähnelnde Pakete aus Rechnungen.

Die Aufgabe der Kapitalbeschaffung übernahm neben anderen Finanzdienstleistern auch die Greensill Bank, vormals NordFinanz Bank AG, 2014 von Greensill Capital übernommen und umbenannt. Die Geschäfte verliefen zunächst glänzend: Bis heute haben sich rund 3,6 Milliarden Euro an Kundeneinlagen angesammelt.

Verknüpfung mit Greensill Capital als silberne Kugel

Die Ratingagentur Scope legte als erste den Finger in die Wunde. Sie monierte, dass die Greensill Bank beim Generieren von Neugeschäften und bei der Risikoabsicherung vollständig von Greensill Capital abhängig ist. Das wirkt sich desaströs auf das Risikoprofil der Bank aus – das nämlich ist unlösbar mit dem Risikoprofil von Greensill Capital verknüpft.

Genau das wurde dem deutschen Greensill-Ableger nun zum Verhängnis, da genau das eintrat, was die Analysten befürchteten: Auch Greensill Capital kämpft nach dem Abrücken wichtiger Geldgeber um seine Existenz, darunter Großinvestoren wie Credit Suisse.

Dass die BaFin die Bremer Bank letzten Mittwoch wegen drohender Überschuldung schloss, sehen viele Beobachter nach der zweifelhaften Rolle im Wirecard-Skandal als weitere Fehlleistung. Der Schritt hätte erheblich früher erfolgen sollen, so die verbreitete Meinung.