Die Pfeifenorgel – ein kostbares und enorm unhandliches Instrument. Ein Beitrag von Frank Uwe Liefländer.

Von Wolfgang Amadeus Mozart einst als Königin aller Instrumente bezeichnet, ist die Kirchenorgel eines der wohl größten und traditionellsten Instrumente der abendländischen Kultur. Deutschland hat dabei im Verhältnis auf Einwohnerzahl und Fläche die höchste Dichte an Pfeifenorgeln weltweit. Grund genug, sich die Kirchenorgel etwas genauer anzuschauen.

Erstaunlich und überwältigend sind die großen Orgeln Europas. Bei Kosten von mehreren Millionen Euro und einer Entstehungszeit von gerne einmal zehn Jahren handelt es sich um Musikinstrumente, die alles andere als schnell produziert werden. Aber auch die Instandhaltung ist aufwändig: Orgeln müssen zweimal pro Jahr gestimmt werden, was Wochen dauern kann. Keine Frage, eine Pfeifenorgel ist ein unhandliches Instrument. Das gilt allerdings nicht nur für Kosten und Pflege. Es ist auch das einzige Instrument, bei dem die Füße melodisch auf einer eigens gebauten Klaviatur mitmachen. Zum Vergleich: Trommler benützen zwar auch ihre Füße für die Basstrommel, aber das ist nur rhythmisch, und nicht melodisch. Durch die Pedale ist das Orgel- auch wesentlich schwieriger als Klavierspiel. Die Koordination zwischen 10 Fingern und zwei unabhängigen Füßen erfordert exzellente Multitasking-Fähigkeiten.

Zwischen 64 Pfeifen bei einer Kleinstorgel und 33.000 bei großen Instrumenten sorgen dabei für den unvergleichlichen Ton. Manche großen Pfeifen klingen dabei so tief, dass sie nicht nur gehört, sondern gespürt werden können, während die kleinsten für das menschliche Gehör nicht direkt wahrnehmbar sind. Wer auf einer großen Orgel spielt, fühlt sich wie in einem Spaceshuttle: Umgeben von Tasten und Pedalen, unzähligen Knöpfen und Schaltern und komplizierten Instruktionsmanualen (den Noten), fühlen sich Orgelspieler wie in einem Spaceshuttle. Zudem sitzt man auch sehr hoch auf der Empore, wie bei einer Rakete.

Hat die Orgel heute noch eine Existenzberechtigung?

Die Kirchenorgel ist allerdings mehr als nur ein Musikinstrument: Wie fast alles in der Kirche gibt sie uns einen Vorgeschmack auf das Göttliche. Die Pfeifen und ihr Klang streben nach oben und leiten damit unsere Gedanken zu Gott. Ihr brausen, lauter als alle Chöre oder Orchester, symbolisiert die Macht Gottes und lässt sie uns erspüren. Ihre intimsten und lieblichsten Töne ähneln der Liebe Gottes. Ihre Schönheit erinnert uns an Gott, die Schönheit selbst. Sie leitet uns im gemeinschaftlichen Gesang zur Ehre Gottes. Und vielleicht das konkreteste: Sie ist durch die enormen finanziellen Lasten eine Übung des Zusagens, des Bejahens: Ja, für das Schöne und Erhabene sind wir bereit große Opfer zu bringen, harte Münze für Ideale. In unserer immer mehr materiell-orientierten Gesellschaft ein wichtiges Argument.

Leider werden in vielen Kirchen die Orgeln durch einfache elektrische Klaviere ersetzt. Diese sind zwar viel handlicher, besitzen aber weder dieselbe Klangqualität noch vermitteln sie den Sinn der kirchlichen Musik. Möge dieser Artikel als Anstoß dienen, solche Entscheidungen doch noch einmal zu überdenken.

Über Frank Uwe Liefländer

Frank Uwe Liefländer ist Assistenz-Professor und Dozent der Kirchenmusik und kann auf mehr als 30 Jahre Erfahrung als Dirigent zurückblicken. Als Orchesterleiter, musikalischer Direktor und Privatgelehrter beschäftigt sich Liefländer bereits sein ganzes Leben mit sakraler Musik. Nach längerer Tätigkeit im Ausland ist der gebürtige Göttinger inzwischen in seine Heimat zurückgekehrt und für die Diözese Augsburg tätig.

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