EZB bleibt bei Niedrigzinspolitik
Anders als das amerikanische Notenbanksystem, das jüngst die Abkehr von seiner bisherigen Niedrigzinspolitik verkündet hat, bleibt die Europäische Zentralbank weiter bei ihrer Strategie des billigen Geldes. Der Leitzins für alle angeschlossenen Länder beträgt weiterhin null Prozent, so der Beschluss eines Treffens des EZB-Rats vom letzten Donnerstag.
Bestehen bleibt auch der Negativzins für Gelder, die Geschäftsbanken bei der EZB deponieren. Er beträgt unverändert -0,5 Prozent. Damit begeben sich die Eurobanker ins Kreuzfeuer der Kritik von Analysten und Investoren. Hauptvorwurf: Die große Menge billigen Geldes leistet der Inflation massiv Vorschub.
EZB handelt entgegen eigener Vorgaben
Die Begrenzung der Inflation ist ein zentrales Thema europäischer Geldpolitik. Durch ihr Beharren auf dem Null-Zins-Niveau widerspricht die EZB also ihrer eigenen Aufgabenstellung. Die eigentliche Vorgabe lautet: Steuerung der Geldpolitik mit dem Ziel, eine Teuerungsrate von zwei Prozent nicht zu überschreiten.
Europaweit ist allerdings eine massive Missachtung dieser Marke zu beobachten. So betrug die Inflation in Deutschland im November 5,2 Prozent. Der harmonisierte Verbraucherpreisindex HVPI, eine für die EZB-Geldpolitik relevante Maßzahl, kletterte sogar auf einen Wert, der sechs Prozent über dem Vorjahreswert liegt.
Im gesamten europäischen Raum lag die November-Inflation bei durchschnittlich 4,9 Prozent. Damit erreicht die europäische Währungszone in Europa den höchsten Wert ihres Bestehens.
Kreditnachfrage vor Inflationsschutz
Unbeeindruckt von den Auswirkungen einer grassierenden Inflationsentwicklung setzen die Eurobanker noch immer auf die stimulierende Wirkung einer Niedrigzinsstrategie auf die Nachfrage nach Investitionskrediten und Konsumkrediten. Ob diese Sichtweise tragfähig ist, darf bezweifelt werden – insbesondere angesichts des durch die Inflation verursachten Nachlassens der allgemeinen Kaufkraft.
Diese Entwicklung scheint die EZB bewusst in Kauf zu nehmen. Wie aus dem eigenen Haus zu hören ist, rechnet die Bank für 2021 mit einer Inflationsrate von 2,6 Prozent, am Donnerstag verkündet von Präsidentin Christine Lagarde. Drei Monate zuvor, im September 2021, hatte die EZB noch eine Rate von 2,2 Prozent prognostiziert.
Steigende Werte in den kommenden Jahren
Für 2022 sagt die EZB nun eine Teuerungsrate von 3,2 Prozent voraus. Auch diese Prognose hat sich start nach oben verändert: Bisher waren die Eurobanker von 1,7 Prozent ausgegangen.
Für 2023 tippt die EZB auf 1,8 Prozent – 0,3 Punkte mehr als noch in der September-Prognose. Auch die Erstvoraussage für 2024 liegt bei 1,8 Prozent Inflation. Damit liegt die Gesamtinflation für die Eurozone zwischen 2021 und 2024 bei alarmierenden 9,4 Prozent.
EZB setzt auf vorübergehenden Effekt
EZB-Präsidentin Christine Lagarde ist zuversichtlich, dass sich das Geschehen in absehbarer Zeit wieder beruhigen wird. Die Inflation würde “kurzfristig hoch bleiben, sich aber im Laufe des kommenden Jahres abschwächen”, so die Bankchefin.
Die Begründung dieser Sichtweise ist in Finanzkreisen nicht unumstritten. So sei die aktuell hohe Teuerungsrate auf deutlich gestiegene Energiepreise und den Mangel an Material, Ausrüstung und Arbeitskräften in einigen Branchen zurückzuführen.
Da allerdings nicht mit einem spürbaren Nachlassen der Energiepreise in den nächsten Jahren zu rechnen ist, dürfte zumindest dieser Inflationsgrund längerfristig bestehen bleiben. Eine Reihe von EZB-Kritikern sind daher der Überzeugung, dass sich die nachhaltige Senkung der Inflationsrate nur mit geldpolitischen Mitteln umsetzen lässt – allen voran die konsequente Abkehr von der Null-Zins-Politik nach dem Vorbild der Fed.
Ende des Corona-Notkaufprogramms in Sicht
Das als Corona-Hilfsmaßnahme gedachte Anleihen-Kaufprogramm soll 2022 auslaufen, so ein Beschluss des EZB-Rats vom Donnerstag. Das betrifft allerdings nicht das allgemeine Ankaufprogramm APP, das zunächst unverändert weiterläuft.
Im Rahmen dieses Programms hat die EZB seit 2015 inzwischen über drei Billionen Euro in Unternehmenspapieren und Staatsanleihen angelegt. Ein deutlicher Anstieg des Kaufvolumens erfolgt im zweiten Quartal 2022 von 20 Milliarden auf 40 Milliarden Euro monatlich. Im dritten Quartal sinkt das Ankaufvolumen auf 30 Milliarden Euro monatlich, um dann im vierten Quartal wieder zum Ausgangswert von 20 Milliarden Euro monatlich zurückzukehren.