EZB-Bankenaufsichtsbericht: Institute sind gut aufgestellt

Der in diesen Tagen in Frankfurt veröffentlichte Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit der EZB gibt für die europäische Bankenszene trotz Turbulenzen im amerikanischen Finanzsektor Teilentwarnung. Der Chef der EZB-Bankenaufsicht, Andrea Enria, bewertet die Situation europäischer Geldhäuser als aussichtsreich. Das hohe Vertrauen der Sparer sichere den Instituten eine breite Kundenbasis, nicht zuletzt auch wegen des geringeren Zinsrisikos gegenüber den USA. Doch es gibt auch Risiken.

Vor allem wegen konjunktureller Unwägbarkeiten fordert Andrea Enria die Banken in Europa zu erhöhter Wachsamkeit auf. Insbesondere die Energiekrise könne der Entwicklung auf dem Bankensektor einen dicken Strich durch die Rechnung machen. Stellt sich hier keine Lösung ein, werde das Kreditrisiko insbesondere bei energieintensiven Branchen und Unternehmen massiv ansteigen.

EZB befürchtet eine Verschlechterung der Kreditqualität

Die Konjunkturabschwächung Ende 2022 und die dadurch ausgelöste Zunahme bei den Insolvenzen haben lange Schatten geworfen. Die wirtschaftliche Großwetterlage in Europa ist davon nicht unberührt geblieben. Aus diesem Grund mahnt der Jahresbericht erhöhte Aufmerksamkeit bei der Bewertung der allgemeinen Kreditqualität an.

Dennoch zeigen sich europäische Institute angesichts der Katastrophenmeldungen mehrerer Banken wie der SVB und der Credit Suisse bei den Kursverläufen bemerkenswert robust. Vor allem die soliden Bilanzen bei den Geldhäusern im europäischen Raum waren nach Ansicht des Bankenaufsichtschefs einer der Hauptgründe für die gute Bewältigung der Turbulenzen.

Dass die Kurse europäischer Bankaktien gelitten haben, ist unbestritten. Dennoch habe es keine wesentlichen Einschnitte bei Finanzierung und Liquidität gegeben, so  Andrea Enria. Zudem stellt sich die Situation im europäischen Finanzraum anders dar als in den USA. Besonders wegen des extrem hohen amerikanischen Zinsrisikos segeln europäische Banken in erheblich ruhigerem Wasser. Und zuletzt spielt auch die gute Einlagensicherung in Europa ein wichtige Rolle, anders als in den USA, wo Defizite auf diesem Gebiet gerade zum Zusammenbruch der Silicon Valley Bank geführt haben.

Jahresbericht bewertet Zinswende positiv

Die Entscheidung für die Zinswende ab Juli 2022 bewertet die EZB als richtigen Schritt nach Jahren der extrem lockeren Geldpolitik. Man befinde sich hier auf dem richtigen Weg: Weitere Zinsschritte sind angedacht, wenn sich die Konjunktur wie erwartet entwickelt. Andrea Enria warnt davor, von diesem Basisszenario abzuweichen. In diesem Fall seien unvorteilhafte Entwicklungen nicht auszuschließen.

Kreditnehmer könnten Schwierigkeiten bekommen, ihre Darlehen zu bedienen. Besonders in den Bereichen der Immobilienkredite, der Verbraucherkredite und der Kredite an hoch verschuldete Firmen könnte es bei Abweichungen vom Masterplan zu schmerzhaften Krisenlagen kommen.

Bankenaufsicht fordert Anpassungen beim Risikomanagement

Ein insgesamt schwierigeres Szenario bei Finanzierungen macht nach Ansicht der Bankenaufseher neue Verfahren bei der Handhabung von Verbindlichkeiten erforderlich. Strategische Steuerung und Risikomanagement müssten den aktuellen Bedingungen angepasst werden. Auf diesem Gebiet besteht laut Andrea Enria die Gefahr, dass die Institute “auf dem falschen Fuß erwischt werden.”

Deutliche Defizite sieht die Bankenaufsicht noch bei der Risikokontrolle und der internen Unternehmenssteuerung. Es gebe hier nicht genügend große Fortschritte, bemängelt Andrea Enria. Der Bankenaufseher schließt nicht aus, dass die Aufsichtsbehörde hier in Zukunft erhöhten Druck ausüben könnte. Man werde nötigenfalls alle Befugnisse und Aufsichtsinstrumente zur Anwendung bringen. Das schließe auch Sanktionen und die gezielte Forderung nach Eigenkapital nicht aus.

Keine Einschränkungen soll es allerdings bei Ausschüttungen der Bankhäuser an ihre Aktionäre geben. Offenbar sieht die EZB-Bankenaufsicht darin keine Gefährdung der europäischen Bankenlandschaft.