Entlassungsflut bei Zahlungsabwickler Klarna

Das schwedische Fintech-Unternehmen Klarna gehört noch immer zu den wertvollsten Startups in Europa. Trotzdem macht das Unternehmen derzeit vor allem Negativschlagzeilen. Jüngste Hiobsbotschaft: Der Zahlungsabwickler entlässt ein Zehntel seiner Belegschaft – insgesamt etwa 700 Mitarbeiter*innen. Der offiziell genannte Grund sind massive Kosteneinsparungen. Doch es könnte noch mehr dahinterstecken.

Vor allem die steigende Inflation und der Ukraine-Krieg hätten das Geschäftsklima verhagelt, so das Fintech-Unternehmen. Vor dem Hintergrund der aktuellen wirtschaftlichen Großwetterlage sei der radikale Personaleinschnitt unausweichlich geworden.

Krasser Umschwung bei der Bewertung

Klarna war bis vor Kurzem ein Lieblingskind der Anlegergemeinschaft. 2021 noch mit 46 Milliarden Dollar bewertet, gehörten zum Investorenkreis so klangvolle Namen wie Permira, Softbank und Sequoia Capital. Mittlerweile hat sich die Stimmungslage wohl fundamental verändert. Bei einer neuen Finanzierungsrunde erlebt das erfolgsverwöhnte Unternehmen unerwartete Schwierigkeiten, so Recherchen des Wall Street Journal.

Vor allem eine drastische Verschlechterung bei der Unternehmensbewertung scheint die Ursache für die aktuellen Finanzierungsprobleme zu sein. Die kommt nicht von ungefähr: 2021 wies das Unternehmen einen Verlust von umgerechnet rund 630 Millionen Euro aus.

Sparkurs – der Weg aus der Krise?

Als Reaktion auf die rapide Verschlechterung der unternehmerischen Großwetterlage hat Klarna-CEO Sebastian Siemiatkowski nun ein radikales Sparprogramm angekündigt – gemeinsam mit dem gesamten Management. In diesem Kontext scheint die nun veröffentlichte Personalreduzierung um zehn Prozent nur der erste Schritt in einer Reihe weiterer Maßnahmen zu sein.

Man sehe sich einer veränderten Welt gegenüber, so die Klarna-Führung in einer Erklärung gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Die Vorgaben, die das Unternehmen bei der Veröffentlichung seiner Geschäftspläne im Herbst 2021 verkündet habe, könnten in dieser Form keinen Bestand mehr haben.

“Seitdem erleben wir einen tragischen und unnötigen Krieg in der Ukraine, einen Stimmungsumschwung bei den Verbrauchern, einen steilen Anstieg der Inflation, einen sehr volatilen Aktienmarkt und eine wahrscheinliche Rezession“, so der Klarna-Chef. “Es macht mich traurig, sagen zu müssen, dass etwa zehn Prozent unserer Kollegen und Freunde in allen Bereichen des Unternehmens davon betroffen sein werden.”

Noch ist nicht bekannt, welche Mitarbeiter das Unternehmen verlassen müssen. Die konkrete Liste der Kündigungen soll in den kommenden Wochen erstellt werden. Denjenigen, die das Personaleinsparungsprogramm trifft, soll der Abschied mit Abfindungsangeboten erleichtert werden. 

Gerüchteweise massive Beschwerden aus dem Kundenkreis

Ein weiterer, nicht offiziell erwähnter Grund für die Schieflage bei Klarna könnten massive Vorwürfe über angebliche Online-Betrugsfälle sein, in die der Zahlungsabwickler indirekt verwickelt sein soll.

Nach Recherchen des Computermagazins PC-Welt soll es zahlreiche Betroffene geben, die einer Betrugsstrategie mit fingierten Joyn-Plus-Abonnements zum Opfer gefallen sind. Diese Abos wurden über Klarna abgewickelt. Mittlerweile sollen sich zusätzlich eine große Menge von Personen gemeldet haben, die auch mit Abrechnungen anderer Unternehmen Schwierigkeiten haben – alle über Klarna abgerechnet.

Der Vorwurf gegenüber Klarna lautet, die Rechtmäßigkeit abzurechnender Forderungen nicht sorgfältig genug zu prüfen. In seiner Stellungnahme räumt der Zahlungsabwickler die Betrugsfälle ein. Aus der ausführlichen Stellungnahme ist allerdings nicht zu ersehen, welche Prüfverfahren Klarna anwendet, um die Korrektheit der abgerechneten Forderungen festzustellen.

“Dennoch können Betrugsfälle leider vorkommen”, erklärt Klarna in seiner Stellungnahme. “Wir arbeiten mit höchster Priorität an dem Betrug im Zusammenhang mit Joyn Abonnements und haben intern bereits zahlreiche Maßnahmen wie die Erweiterung unserer Authentifizierungsprozesse ergriffen, um zu verhindern, dass so etwas noch einmal vorkommt.”

Ob dieser Schritt ausreicht, um verlorengegangenes Vertrauen wieder herzustellen, bleibt abzuwarten.