Disney markiert rassistische Inhalte in seinem Streaming-Angebot

Die Konsequenz aus der anhaltenden Diskussion um rassistische und diskriminierende Inhalte in der Märchenwelt des Walt Disney zog das Unternehmen unlängst mit seiner Flagging-Kampagne gegen unangemessene Inhalte auf der Streaming-Plattform Disney+. Damit sucht der Entertainment-Gigant einen gangbaren Kompromiss zwischen politischer Korrektheit und wirtschaftlichen Interessen.

Klassiker wie Cinderella oder König der Löwen gehören mittlerweile zum Kulturgut der Vereinigten Staaten. Wenn dieses allerdings mit rassistischen und diskriminierenden Elementen durchsetzt ist, stellt das nicht nur für den Rechteinhaber ein schwerwiegendes Problem dar.

Dass viele der Disney-Plots auf rassistischen Inhalten aufsetzen, ist seit Jahrzehnten Anlass für anhaltende Diskussionen. Bisher ließen sich alle Bedenken durch den Hinweis auf die hohe Popularität bei Jung und Alt aus der Welt schaffen. Doch gerade die extreme Verbreitung von rassistisch angehauchten Disney-Klassikern wird für das Unternehmen mehr und mehr zum Problem.

Markieren statt entfernen

Der Umstand, dass Disney einige seiner berühmtesten Klassiker wie Peter Pan, Das Dschungelbuch, Aristocats und sogar Dumbo auf Disney+ aus dem Kinderprogramm entfernt hat, zeigt deutlich, in welchem kulturellen und wirtschaftlichen Zwiespalt sich das Unternehmen befindet.

Auf der einen Seite geht es für den Unterhaltungskonzern darum, seinen Beitrag zur Rassismus- und Diskriminierungsdebatte zu leisten. Auf der anderen Seite will das Unternehmen nicht durch das Einstampfen seiner wichtigsten Umsatzbringer die eigene wirtschaftliche Grundlage gefährden.

Rassistisch angehauchte Filme stehen ab jetzt auf Disney+ Kindern nur noch unter Aufsicht Erwachsener zur Verfügung – wenn diese sich an die Einstufung halten und genügend eigene Sensibilität gegenüber problematischen Inhalte aufbringen.

Das Flagging des eigenen Angebots betreibt Disney auf zwei Ebenen. Zum einen ist am Beginn des Films ein Warnhinweis zu sehen, der so beginnt: „Dieses Programm enthält negative Darstellungen und/oder eine nicht korrekte Behandlung von Menschen oder Kulturen. Diese Stereotypen waren damals falsch und sind es noch heute.” Zum anderen gibt es auch kontextbasierte Einblendungen bei kritischen Szenen, die eine Einordnung rassistischer Stereotypen zum Inhalt haben.

Begründung erscheint vorgeschoben

Der zweite Teil der Texttafel am Beginn problematischer Filme zeigt das Dilemma des Unterhaltungskonzerns deutlich auf:

“Anstatt diese Inhalte zu entfernen, ist es uns wichtig, ihre schädlichen Auswirkungen aufzuzeigen, um aus ihnen zu lernen. Wir wollen Diskussionen anregen, die es ermöglichen, eine integrativere gemeinsame Zukunft ohne Diskriminierung zu schaffen. Disney hat es sich zum Ziel gesetzt, Geschichten mit inspirierenden und zukunftsweisenden Botschaften zu erzählen, in denen die große Vielfalt der Menschen rund um den Globus berücksichtigt wird und niemand diskriminiert wird.“

Die Flucht in den erzieherischen Auftrag scheint den einzigen Weg darzustellen, die größten Klassiker und Umsatzbringer des Konzerns vor einer selbst veranlassten Mediensperre zu bewahren und so wesentliche Teile der unternehmerischen Wertschöpfung zu erhalten. Füllt Disney diese Strategie allerdings mit Leben, kann sich daraus tatsächlich ein gangbarer Weg entwickeln.

Dunkle Vergangenheit des Firmengründers

Die rassistische und diskriminierende Ausrichtung des Disney-Erbes kommt nicht von Ungefähr. Walt Disney war im Jahr 1944 eines der Gründungsmitglieder des antisemitischen Branchenverbands “Motion Picture Alliance for the Preservation of American Ideals” (MPAPAI), der sich später auch als einer der aktivsten Unterstützer von Joseph McCarthys Kreuzzug gegen eine angebliche Unterwanderung der amerikanischen Regierung durch Kommunisten profilierte.

Zudem fiel der charismatische Produzent auch durch seine Bewunderung für die im Dritten Reich verehrte Filmemacherin und Hitler-Vertraute Leni Riefenstahl auf, mit der es 1938 auch zu einem persönlichen Treffen kam. Zu dieser Zeit hatte Hollywood längst einen Boykott nazistischer Filme verhängt.

Der Zwiespalt, dem Walt Disney und sein Erbe zeitlebens unterlag, zeigt sich in seiner gleichzeitigen Hinwendung zur Anti-Nazi-Bewegung. Ein typisches Beispiel dafür ist sein Cartoon “The Fuehrer’s Face”, der den Nazismus auf humorvolle Weise entlarven sollte.

Opportunismus als Unternehmensphilosophie scheint von Beginn an die Leitlinie Walt Disneys gewesen zu sein. Der aktuelle Umgang mit rassistischen Inhalten auf Disney+ scheint dieser Strategie zu folgen.