Die nächste Titanic ankert in China

Der Bau dauert bereits seit 2012, nun soll es nach zwei Jahren Verzögerung endlich so weit sein: Im Romandisea Freizeitpark in der chinesischen Provinz Sichuan soll noch in diesem Jahr ein Abbild der Titanic vor Anker gehen – originalgetreu bis ins kleinste Detail und in der ursprünglichen Größe. In See stechen kann die Kopie des historischen Luxusschiffs nicht, dennoch bietet sie Besuchern Gelegenheit, auf dem berühmtesten Passagierschiff der Geschichte zu übernachten.

Die Bauzeit ist bereits jetzt rund doppelt so lang wie bei dem als unsinkbar geltenden Original, das 1912 mit einem Eisberg kollidierte und bei seinem Untergang über 1.500 Passagiere in den Tod riss. Dennoch zeigt sich der chinesische Investor und Titanic-Fan Su Shaojun zuversichtlich: „Ich hoffe, dass dieses Schiff noch in 100 oder 200 Jahren hier sein wird“.

Diese Perspektive macht insbesondere angesichts der Kosten Sinn: Aleine die Baukosten überschreiten derzeit bereits eine Milliarde Yuan, umgerechnet etwa 127 Millionen Euro. Insgesamt wird das Projekt rund zehn Milliarden Yuan verschlingen, also rund 1,2 Milliarden Euro.

Der Investor geht von bis zu fünf Millionen Besuchern aus, um die Kosten des Projekts zu erwirtschaften. Die Betriebszeit des schwimmenden Museums in Jahrhunderten zu bemessen, erscheint unter dem Kostenaspekt als durchaus angemessene Perspektive.

Auf der Titanic übernachten

Bis zu 2.000 Yuan, rund 254 Euro, soll eine Übernachtung auf dem 260 Meter langen Schiff kosten. Die Titanic-Replika, die innerhalb des Freizeitparks auf dem Fluss Quijang vertäut wird, ist trotz fehlender Seetüchtigkeit mit funktionsfähigen Dampfmaschinen ausgestattet, um den Gästen die wirklichkeitsnahe Simulation einer Ozean-Überfahrt zu vermitteln.

Bei der Ausstattung hat Investor Su Shaojun keine Kosten gescheut. Sie soll nach eigenen Angaben bis ins kleinste Detail dem Originalschiff entsprechen. Da der chinesische Unternehmer allerdings sowohl Fan des Schiffs als auch des gleichnamigen Films mit Leonardo DiCaprio aus dem Jahr 1997 ist, dürfte die Szenerie wahrscheinlich auch einen Hauch von Hollywood aufweisen.

Besonders für europäische Besucher dürfte die Liebe des Investors zu dem unter tragischen Umständen gescheiterten Schiffs zu ungewohnten Eindrücken führen: Sämtliche Tourbusse im Freizeitpark sollen den Titelsong des Films, „My Heart Will Go On“, interpretiert von Celine Dion, in Endlosschleife abspielen – für nicht-chinesische Ohren wegen der Dauerberieselung eine nicht unbedingt angenehme Erfahrung.

Die Titanic ist Bestandteil des chinesischen Nationalbewusstseins

Eher unerwartet ist die Präsenz, die das Schicksal der Titanic in der nationalen Wahrnehmung Chinas einnimmt. Weiter in den Mittelpunkt gerückt ist die Geschichte durch den jüngst erschienen Dokumentarfilm „The Six“ von Regisseur Arthur Jones. Er behandelt das Schicksal von sechs chinesischen Reisenden, die Passagiere auf der Jungfernfahrt der Titanic waren.

Das lässt darauf schließen, dass der neue Freizeitpark Romandisea mit der Titanic als Hauptattraktion nicht unter Besuchermangel zu leiden haben wird, sowohl aus dem Inland als aus dem Ausland.

Freizeitparks – ein bedeutender Wirtschaftsfaktor in China

Freizeitparks in China, die sich seit ihrem Beginn großer Beliebtheit erfreuen, steht eine große Zukunft bevor. In den beiden letzten Jahren besuchten rund 230 Millionen Menschen die chinesischen Vergnügungsparks und generierten einen Gesamtumsatz von etwa zehn Milliarden Euro. Das stellt eine Steigerungsrate von satten 367 Prozent gegenüber den beiden Jahren zuvor dar.

Kritik an der Titanic-Vermarktung

Das chinesische Titanic-Projekt sorgt nicht nur für Freude. Kritische Stimmen mahnen an, dass es nicht vertretbar sei, eine historische Tragödie mit derart vielen Opfern zum Gegenstand einer Freizeitpark-Attraktion zu machen.

Wortführer der Kritik ist die Titanic Society, die von Nachfahren von Passagieren und Mannschaftsmitgliedern des gesunkenen Linienschiffs getragen wird. Sie werfen dem chinesischen Investor vor, den Nachbau nicht aus historischen Gründen, sondern wegen der Katastrophe zu betreiben.

Dass diese Vermutung nicht vollkommen aus der Luft gegriffen ist, belegt ein früherer Plan von Titanic-Fan Su Shaojun: So sollte eine naturgetreue Kollision mit einem Eisberg den Übernachtungsgästen ein besonderes Erlebnis vermitteln. Das Vorhaben wurde mittlerweile zurückgenommen.