Deutsches Aktieninstitut sieht Überreaktion bei Forderungen zur Fintech-Compliance

Groß-Skandale wie der um den Wirecard-Zusammenbruch haben in den vergangenen Monaten zu zahlreichen Forderungen und Initiativen zu Veränderungen bei der regulatorischen Compliance im Finanzwesen geführt. Insbesondere der Gesetzgeber soll Fehlentwicklung entgegenwirken.

Eine der ersten bereits abgeschlossenen Maßnahmen ist das im Juni verabschiedete Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität FISG. Doch die aus den Nachbeben hervorgegangenen Forderungen auf weitergehende Regulierung gehen vielfach zu weit, so die Meinung des Deutschen Aktieninstituts.

Auf Defizite angemessen reagieren

Dass es sich bei Wirecard um den größten Finanzskandal der Nachkriegsgeschichte handelt, ist unbestritten. Insbesondere die kriminelle Energie des Managements hat über die Unternehmensgrenzen hinaus schweren Schaden angerichtet.

Neben den Verlusten der Anleger ist seit Wirecard ein allgemeiner Vertrauensverlust gegenüber der Fintech-Branche zu beobachten. Selbst branchenfremde deutsche Unternehmen spüren die Auswirkungen des Skandals. Auch der deutsche Kapitalmarkt ist von den Effekten der Wirecard-Affäre betroffen. Das Geschehen hat zweifellos Defizite in der Unternehmens-Compliance aufgedeckt.

Durch das FISG haben sich bereits einige einschneidende Veränderungen eingestellt. So gibt es seither strengere Regeln bei Unternehmensaufsicht, Bilanzkontrolle und Abschlussprüfung. Auch die Corporate Governance und die Vorsorgemaßnahmen gegen Geldwäsche unterliegen nun einem strengeren Forderungskatalog.

Neues Interesse am Unternehmensstrafrecht

Insbesondere im Zusammenhang mit dem Bundestagswahlkampf gewinnen Forderungen nach Schaffung eines Unternehmensstraf- und sanktionsrechts neuen Antrieb. Angesichts des immensen Schadens, den der Wirecard-Crash bei Anlegern aller Größenordnungen angerichtet hat, liegt die Forderung nach einem strengeren gesetzlichen Rahmen als ordnende Instanz nahe.

Allerdings sollte die Größenordnung der geplanten Maßnahmen der allgemeinen Situation angepasst sein, nicht einzelnen Ausnahmefällen – so die Haltung des Deutschen Aktieninstituts.

Regulierungswut darf nicht zu Sippenhaftung führen

Das Institut weist darauf hin, dass die überwiegende Zahl deutscher Unternehmen – auch im Fintech-Sektor – rechtstreu ist und nicht durch ein überzogenes Regelwerk bestraft werden darf. Ein Exempel zu statuieren, wäre nur angemessen, wenn die Branche als Ganzes von Korruption und Fehlverhalten durchsetzt wäre. Das ist offensichtlich nicht der Fall.

Mit jeder zusätzlichen regulierenden und kontrollierenden Maßnahme steigt bei den Unternehmen der organisatorische Aufwand, mit allen Auswirkungen auf die personellen und finanziellen Ressourcen. Statt einer allgemeinen Verbesserung wären in einer überregulierten Branche Betriebe eher existenziell bedroht.

Aktieninstitut fordert Verhältnismäßigkeit ein

Dass unternehmerisches Fehlverhalten Sanktionen zur Folge haben muss, ist eine unbestrittene Tatsache. Allerdings können überzogene Sanktionen wie beispielsweise drakonische Bußgelder auch das genaue Gegenteil bewirken: die Destabilisierung der gesamten Branche.

Unverhältnismäßige Bußgeldzahlungen schwächen die Finanzbasis der betroffenen Unternehmen, was in vielen Fällen die Entwicklung innovativer Konzepte behindert. Betroffen sind meist nicht beteiligte Gruppen: einerseits die Mitarbeiter, wenn die Sanktionen einen Abbau der Arbeitsplätze erzwingen, andererseits die Anleger, wenn durch die Strafzahlungen die Erträge sinken – und um den Anlegerschutz geht es ja eigentlich bei den angedachten Maßnahmen.

Aktieninstitut: Vergangene Fehler nicht wiederholen

Übereifer bei der Regulierung des Fintech-Sektors, wie er bei vergangenen Initiativen zu beobachten war, darf sich in Zukunft nicht wiederholen, so die Haltung des Deutschen Aktieninstituts. Insbesondere die Bemessung von Bußgeldern sollte zwar spürbare Effekte erzielen, aber nicht dazu beitragen, die Situation noch zu verschlimmern.

Eine durch Bußgelder herbeigeführte Existenzgefährdung dient keiner der beteiligten Parteien – den Anlegern ebenso wenig wie den Mitarbeitern. Auch das betroffene Unternehmen selbst ist angesichts der geschwächten Finanzbasis oft nicht mehr in der Lage, die angemahnten Missstände aus eigener Kraft zu beheben.