Deutsche haben ein ambivalentes Verhältnis zum Datenschutz

Das Gefühl, die Kontrolle über die eigenen Daten im Internet verloren zu haben, beherrscht die überwiegende Mehrheit der Online-Anwender in Deutschland. Gleichzeitig sind deutsche Internetnutzer grundsätzlich bereit, kostenlose Dienstleistungen mit der Herausgabe ihrer persönlichen Daten zu bezahlen. Dieser innere Widerspruch wirkt sich auf lange Sicht schädlich auf die Netzkultur aus.

Vermeintlich kostenlose Dienste sind besonders bei Google ein zentraler Faktor des firmeneigenen Geschäftsmodells. Der Suchmaschinenbetreiber hat ein gewaltiges Ökosystem kostenloser Services errichtet – vom E-Mail-Dienst über die Videoplattform YouTube bis hin zum fortgeschrittenen, auf künstlicher Intelligenz basierenden Übersetzungssystem in fast alle Sprachen der Welt.

Allerdings existiert die propagierte Kostenfreiheit nur als Illusion. Die Nutzer zahlen für die angebotenen Dienste mit ihren persönlichen Daten, aus denen die Plattformen Milliardengewinne mit individualisierter und lokalisierter Werbung erzielen.

Gemischte Gefühle bei der Datenherausgabe

Deutsche Internetnutzer entwickeln gegenüber der vorherrschenden geldfreien Servicekultur im Netz eine widersprüchliche Haltung. Auf der einen Seite besteht tiefes Unbehagen über die unübersichtlichen Kanäle, in denen die eigenen Daten verschwinden, ohne Kontrolle darüber, was mit ihnen ab diesem Moment geschieht. Auf der anderen Seite nutzen die Bundesbürger die Angebote in hoher Intensität.

Wie tief das Dilemma reicht, zeigt sich spätestens an der nächsten Bezahlschranke. Möchte ein Pressemedium für das Lesen seiner Beiträge Geld sehen, ist der Widerwille groß. Eine aktuelle Studie der Meinungsforschungsfirma YouGov zeigt auf, dass 84 Prozent der deutschen Internetnutzer Frustration und Ärger empfinden, wenn sie dazu angehalten werden, Inhalte gegen Bezahlung freizuschalten.

Information gegen Geld: ein Akzeptanzproblem

Niemand würde von einem Zeitungsverlag verlangen, seine gedruckten Medien kostenlos zu verteilen. Dennoch gibt es auch bei materiegebundenen Informationen eine Grauzone. Sie lässt eine andere Wahrnehmungsebene entstehen, unabhängig davon, ob die Inhalte auf Papier oder digital vorliegen. Das hat eine aufschlussreiche Erhebung in Bäckerei-Cafés ergeben:

In den von vielen Bäckereien betriebenen Selbstbedienungs-Cafés sind neben anderen Produkten auch in Verkaufsständern dargebotene Tageszeitungen erhältlich. Dort ist vielfach dieser Vorgang zu beobachten: Ein Gast holt sich eine Zeitung aus dem Ständer, liest sie während das Aufenthalts im Café und legt sie dann, sorgfältig zusammengefaltet, wieder in den Verkaufsständer zurück.

Eine Umfrage unter den Gästen, die diese Form der Zeitungsnutzung betreiben, ergab Erstaunliches: Über 90 Prozent der Befragten gaben an, vollkommen korrekt gehandelt zu haben. Die Zeitung liege ja nach der Nutzung unbeschädigt zum Verkauf bereit.

Die Tatsache, dass bei einer Zeitung nicht das Papier und die Druckfarbe, sondern der Inhalt den eigentlichen Wert darstellt, ist der überwiegenden Mehrzahl deutscher Leser nicht bewusst. Entsprechend unterentwickelt ist die Bereitschaft deutscher Internetnutzer, für Inhalte zu bezahlen, besonders, nachdem solche Inhalte über Jahre hinweg kostenlos zur Verfügung standen.

Datenschutzbedenken sind oft vorgeschoben

Als Grund für das Zurückschrecken vor der Bezahlschranke geben viele Nutzer in Deutschland die undurchsichtige Situation bei der Verwendung Ihrer Daten an. Gleichzeitig nutzen die Befragten intensiv große soziale Plattformen wie Facebook, Instagram oder WhatsApp, alles Dienste, deren Umgang mit den persönlichen Daten ihrer Nutzer mehr als fragwürdig ist.

Bei der Entscheidung zwischen kostenpflichtigem Angebot und Herausgabe persönlicher Daten entscheidet sich der deutsche Internetnutzer – wenn auch widerwillig – meist für letzteres.

Dass es sich dabei nicht um ein typisch deutsches Phänomen handelt, belegt das Experiment eines finnischen Sicherheitsunternehmens, das in seine allgemeinen Geschäftsbedingungen diesen Passus aufnahm: “Mit der Nutzung unseres Dienstes willigen Sie ein, uns Ihr erstgeborenes Kind zu überlassen. Zeitpunkt und Art der Nutzung werden vom Unternehmen festgelegt.“ Nach Angaben des Unternehmens hat das die Nutzerzahlen in keiner Weise eingeschränkt.

Kunst – das Sorgenkind der Pandemie

Ohne Lebensmittel, Ärzte oder Arbeitsplätze geht es nicht – ohne Kunst zur Not schon. Diese Einstellung kennzeichnet die Situation der Kunstszene und der in ihrer Existenz bedrohten Künstler in Zeiten von Corona-Lockdowns und Social Distancing auf anschauliche Weise. Kunst ist nicht systemrelevant – so zumindest lautet der vorherrschende Tenor, auch unter vielen Politikern, die oft ebenso kunstfern sind wie ihre Wähler.

Die Kunst– und Kulturszene geht aus dem Jahr 2020 mit stark gerupften Federn hervor. Die Misere ist systembedingt: Selbst die Mutmacherparolen aus den Regierungszentralen machen deutlich, welchen Wert man Kunst und Kultur dort in Wirklichkeit beimisst: Die Szene werde schon kreative Wege finden, um die Durststrecke zu überwinden. Mit anderen Worten: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott.

Verzweiflung als Lösungskonzept

Kulturschaffende und kulturelle Einrichtungen sind in der Pandemie größtenteils auf sich selbst gestellt, über diese Tatsache helfen keine beschönigenden Worte hinweg. Dennoch hat sich die Prognose der Regierenden bewahrheitet – viele Künstler und Kulturschaffende haben ihre Kreativität genutzt, um in Zeiten sozialer Isolation mit dem Publikum in Verbindung zu bleiben. Leider ändert das nicht viel an der prekären Situation, in dem sich die Protagonisten nach wie vor befinden.

In vielen kulturellen Bereichen gibt es neue Formen der Darbietung und Vermittlung. Darunter sind auch Modelle mit einem kommerziellen Ansatz, um die extremen Einkommensausfälle der vergangenen Monate zumindest teilweise aufzufangen. Doch die gelebte Wirklichkeit zeigt: Die meisten Initiativen sind nicht viel mehr als Kosmetik. Eine effektive und den tatsächlichen Gegebenheiten angepasste staatliche Unterstützung können auch die aufwendigsten Projekte nicht einmal ansatzweise ausgleichen.

Bühnendarbietungen im Spannungsfeld von Sicherheit und Öffnung

Die Hilflosigkeit der Politik im Umgang mit Kunst und Kultur lässt sich besonders drastisch im Umfeld von Konzert, Oper und Theater beobachten. Zahlreiche Häuser stehen vor dem Aus, vielfach noch zusätzlich gebeutelt von einer richtungslosen und widersprüchlichen Verordnungspolitik.

Gab es zu Beginn noch die Perspektive des Betriebs unter Einhaltung eines Hygienekonzepts, ist heute davon nicht mehr viel zu bemerken. Viele Häuser haben massiv in entsprechende Einbauten und Abläufe investiert – nur, um nun trotzdem vor leeren Zuschauerräumen zu stehen.

Trotzdem haben sich einige Initiativen mit starker Publikumsbeschränkung durchsetzen können. Sie können zumindest zu einem kleinen Teil die Sehnsucht nach Live-Kultur und dem gemeinsamen Kulturerlebnis befriedigen. Was sie nicht können: eine nachhaltige wirtschaftliche Basis etablieren. Kunst bleibt auch trotz vieler aufmunternder Parolen aus dem politischen Lager das Stiefkind des Pandemiemanagements.

Streaming als virtuelle Kulturstätte

Dass sich viele künstlerische und kulturelle Aktivitäten während Corona ins Netz verlagert haben, ist eine naheliegende Entwicklung. Je länger die digitale Diaspora andauert, desto deutlicher treten aber auch ihre Schwächen zutage.

Nichts kann ein gemeinsam erlebtes Konzert ersetzen, das gilt für Pop und Klassik gleichermaßen. Nichts kann die Standing Ovations nach einer begeisternden Opernaufführung wettmachen, wenn sich ein kollektives Glücksgefühl über Künstler und Publikum ausbreitet. Und nichts kann mit der gemeinsam wahrgenommenen Faszination großer Kunst im dreidimensionalen Raum eines realen Museums mithalten.

Natürlich sind virtuelle Konzerte, Opernaufführungen und Museumsbesuche besser als der Totalverlust jeglicher kultureller Initiative. Doch zunehmend wird klar: Das alles sind Ersatzhandlungen, geboren aus der Not einer außergewöhnlichen Zeit. Sie werden das Kunsterlebnis in der wirklichen Welt nicht dauerhaft ersetzen können, weder emotional noch intellektuell. Und nach dem heutigen Stand der Dinge lässt sich auch eine tragfähige wirtschaftliche Basis auf dem Weg der Online-Vermittlung nicht verlustfrei umsetzen.

Der Weg bis zur Aufhebung aller Beschränkungen ist noch lang. In der Zwischenzeit liegt es an Politik und Publikum, Kunst und Kultur nicht als rauchenden Trümmerhaufen aus der Krise hervorgehen zu lassen.