Der MGM-Löwe brüllt künftig für Amazon

8,45 Milliarden US-Dollar war Amazon der Kauf eines der letzten unabhängigen Filmstudios Hollywoods wert, um über diesen Schachzug massiv gegenüber anderen Streaming-Riesen wie Netflix oder Disney+ aufzuholen.

Der Kauf von Metro Goldwyn Mayer, eines der Studios, die für den Aufstieg Hollywoods zur globalen Filmmetropole mitverantwortlich sind, verschafft dem Mischkonzern Amazon und seinem Streamingdienst Zugriff auf über 4.000 Blockbuster-Spielfilmen, darunter Klassiker wie Rocky, Robocop oder Ben Hur. Auch eine Reihe erfolgreicher Fernsehserien gehört ins MGM-Portfolio, darunter The Handmaid’s Tale, Vikings oder Fargo.

Zugriff auf Bond-Reihe ist eingeschränkt

Die Nutzung der James Bond-Filme, der mit über 50 Jahren längsten Erfolgsserie einer Filmreihe, steht Amazon nach dem Kauf allerdings nur zur Hälfte zu. Die andere Hälfte verbleibt bei den Produzenten-Geschwistern Barbara Broccoli und Michael G. Wilson. Damit dürfte auch die Entscheidungsgewalt über den Zeitplan für neue Filme und die Besetzung der Rollen, insbesondere der von James Bond, weiterhin bei den Produzenten verbleiben.

Der Kauf eines Studios mit dem Fokus auf Filmen für das Kino durch einen Streaming-Anbieter dürfte gerade im Zusammenhang mit James Bond in Zukunft für Konflikte sorgen. Sollten in dieser Sache nicht bereits feste Vereinbarungen bestehen, stehen sich in diesem Fall ein Produzentenpaar und ein Großkonzern gegenüber, die bei der Verwertung von Filmen grundsätzlich gegensätzliche Positionen einnehmen.

Branchenkenner gehen davon aus, das Barbara Broccoli und Michael G. Wilson auch in Zukunft auf das Kino als Erstverwertungsort für neue James-Bond-Filme nicht verzichten werden. Entsprechend äußerten sich die Filmemacher in einem Interview mit dem Branchendienst Variety.

Ganz anders dürften die Vorstellungen bei Amazon sein: Dessen Interesse liegt vor allem bei der exklusiven Verwertung innerhalb des eigenen Streamingdienstes.

Amazon nutzt die Gunst der Stunde

Beobachter gehen davon aus, dass der Deal womöglich nie zustande gekommen wäre, wenn die Corona-Krise der Filmindustrie nicht so übel mitgespielt hätte. Insbesondere die wiederholten Verschiebungen bei den Starts neuer Produktionen haben die Studios in Bedrängnis gebracht, zuletzt beim Start des neuen James Bond-Films „No Time to Die“, der nun im Oktober 2021 erfolgen soll.

Dass die Studios nun Streaming-Dienste als alternative Verwertungskette wahrnehmen, kann sich in Zukunft als Selbstschuss erweisen. Nach Überwindung der Pandemie dürfte sich die Situation in den Kinos rasch wieder normalisieren. Veränderungen im Vertriebsmodell wie beispielsweise der aktuelle Verkauf von MGM an Amazon stellt allerdings endgültige Verhältnisse her, die eine Rückkehr zum vorigen Szenario so gut wie unmöglich machen.

Völlig anders sieht das naturgemäß Amazon. Der Erwerb des MGM-Portfolios sei „äußerst aufregend“, so Mike Hopkins, Chef von Amazon Prime und Amazon Studios. Die Erregung ist nachvollziehbar: MGM-Filme und Serien gewannen über 180 Oscars und rund 100 Emmys.

Zuversicht bei MGM

Metro Goldwyn Mayer kommuniziert die Zeitenwende in Hollywoods Filmindustrie mit optimistischen Parolen – zumindest in gemeinsamen Verlautbarungen: „Amazon wird uns dabei unterstützen, das Erbe von MGM und seinen Filmkatalog zu bewahren, um Nutzern einen besseren Zugang zu allen bestehenden Werken zu gewähren.“

Wie die Verbesserung des Zugangs durch die Bereitstellung durch einen einzelnen Streaminganbieter statt durch Kinos überall auf der Welt gestaltet werden soll, war nicht zu erfahren.

Streamingdienste im Aufwind

Die Anbieter von Streaminginhalten konnten die Absatzverluste der Lichtspielhäuser während der Corona-Pandemie in massive Zugewinne umsetzen. Mittlerweile verfügt Amazon Prime eigenen Angaben zufolge über 175 Millionen Abonnenten und rückt damit spürbar zu Netflix mit etwa 208 Millionen Nutzern auf. Selbst Neuankömmling Disney+ hat mittlerweile bereits über 100 Millionen Kunden, sogar knapp 160 Millionen, wenn man den VoD-Dienst Hulu und den Sportkanal ESPN+ hinzurechnet.

Wie sich MGM innerhalb der neuen Streamingwelt angesichts der Abkehr vom Kino bewähren wird, bleibt abzuwarten.