Corona verändert den Fitnessmarkt

Ein komplettes Geschäftsfeld steht wegen der Einschränkungen durch die Corona-Krise auf dem Prüfstand. Unter Branchenexperten bestehen unterschiedliche Auffassungen über die Zukunft der Fitnesscenter. Während eine Fraktion auf die Wiederherstellung der alten Verhältnisse hofft, geht die andere von einschneidenden und nachhaltigen Veränderungen aus. Einig sind sich die Experten allerdings in einem: Nur ein Teil der bisherigen Betriebe wird am Ende der Krise noch auf dem Markt sein.

Zu den Optimisten gehört Ingo Froböse, Professor am Zentrum für Gesundheit und Sport an der Sporthochschule Köln. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung sieht der Sportexperte keine markanten Anzeichen dafür, dass sich die Trainingsaktivitäten früherer Fitnesscenter-Abonnenten dauerhaft in die eigenen vier Wände verlagern werden.

Zwar verzeichnen insbesondere Onlinehändler beim Verkauf von Fitness-Apps und Onlinekursen Steigerungsraten um bis zu 800 Prozent. Dennoch ist das kein Indiz dafür, dass Trainingswillige ihre Gewohnheiten wegen der Pandemie grundlegend verändert hätten. Dafür spräche die Tatsache, dass sich schon vor Corona etwa 70 Millionen Trainingsgeräte im Besitz deutscher Verbraucher befunden haben – meist im Keller eingelagert.

Fitnesstraining erfordert das Gemeinschaftserlebnis

Sich alleine zuhause im Dialog mit einem virtuellen oder online zugeschalteten Trainer um die eigene Fitness zu bemühen, kann nach Ansicht des Kölner Gesundheitsexperten allenfalls eine Ersatzhandlung oder ein ergänzendes Element darstellen. Vor allem die erforderliche Disziplin mache den Heimtrainierenden häufig einen Strich durch die Rechnung. Das klappt nur bei Sportlern, die Selbstüberwindung gewohnt sind. Normale Sporttreibende geben in der Regel früher oder später auf.

Auch die Optimierung der Übungsabläufe kann mit einer Fitness-App oder einem Online-Training nicht den optimalen Wirkungsgrad erreichen. Wichtig ist dabei die Beobachtung durch den Trainer, der korrigierend eingreifen kann oder den Trainingsplan an den Kunden anpasst. Der unidirektionale Informationsfluss bei Online-Systemen macht diese für den Trainingserfolg so wichtige Interaktion unmöglich.

Interaktive Systeme noch zu ungenau

Trainingssysteme, die über Sensoren in Fitnessarmbändern oder Smartwatches Gesundheitsdaten der Übenden erfassen und daraus Trainingspläne erstellen, sind bereits heute erhältlich. Allerdings sind die gesammelten Daten noch viel zu ungenau, um daraus individuell angepasste Trainingsstrategien zu entwickeln.

Das kann sich in der Zukunft ändern, allerdings dürfte es noch mindestens fünf Jahre dauern, bis auf diesem Weg auf die Person abgestimmte Trainingssysteme realisierbar sein werden.

Fitnessclubs müssen sich möglicherweise ändern

Nicht so zuversichtlich bewertet Ralph Scholz, Vorsitzender des Deutschen Industrieverbands für Fitness und Gesundheit (DIFG) die Zukunft von Fitnessbetrieben. In vielen Fällen werden die Studios nicht um eine Neuorientierung hin zu einer Mischung unterschiedlicher Trainingsformen herumkommen: Stationäres Training, üben an der frischen Luft und Onlinekurse für zuhause werden das neue Bild des Fitnessstudios prägen, so der Verbandschef.

Auch innovative Geschäftsmodelle werden sich nach Ansicht von Ralph Scholz zunehmend durchsetzen. Was bereits vor der Pandemie begonnen hat, wird danach weiter an Bedeutung gewinnen, beispielsweise Trainingspässe von Spezialanbietern wie Urban Sports Club oder ClassPass. Sie erlauben ihren Mitgliedern gegen einen festen Monatsbeitrag die Nutzung einer Vielzahl angeschlossener Betriebe – vom Fitnessclub über Yoga bis hin zum Wellnesstempel, dem Schwimmbad oder einem Tanzkurs.

Die angeschlossenen Betriebe erhalten einen Festbetrag pro Nutzung. Der ist zwar in der Regel geringer als das eigene Preismodell, schafft aber Stabilität, da die Akquisition der zusätzlichen Nutzer über die Anbieter der Fitnesspässe erfolgt.

Wie Untersuchungen der Universität Bayreuth ergeben, hat sich das Übungsverhalten der Deutschen durch Corona spürbar verändert. Interessanterweise gibt es dabei keine einheitliche Tendenz: Weniger sportliche Menschen werden durch den Lockdown noch inaktiver. Sportliche Menschen dagegen verstärken in der Zeit des Social Distancing Ihre Aktivitäten noch weiter. Ob beide Gruppen nach der Pandemie zu ihren alten Gewohnheiten zurückkehren werden, bleibt abzuwarten.