China stoppt Oscar-Übertragung in Hongkong

Obwohl sich eine Reihe chinesischer Filmemacher berechtigte Hoffnungen auf einen Oscar machen darf, verzichtet die chinesische Führung erstmals seit 50 Jahren auf die Ausstrahlung der Preisverleihung über TV-Sender in Hongkong. Beobachter werten das als zunehmende Einflussnahme der chinesischen Zentralregierung auf die Sonderwirtschaftszone.

Einer der Auslöser der drastischen Maßnahme dürfte der Film „Nomadland“ der chinesischen Regisseurin Chloe Zhao sein. Der Streifen ist in der Königs-Kategorie “Bester Film” nominiert und gilt laut Brancheninsidern als heißer Favorit für den Gewinn des Oscars.

Die Direktive kommt direkt aus Peking

Die Anweisung der Aufsichtsbehörde für Medien in Peking an alle unter staatlicher Kontrolle stehenden Sender und Verlage in Hongkong ist unmissverständlich: Der Oscar-Event am 24. April darf nicht live übertragen werden. In der Nachberichterstattung sei die Veranstaltung in allen Aspekten herunterzuspielen. Offenbar ist das Verbot auf eine Reihe von Kommentaren des aufstrebenden Regie-Talents und die daraus folgenden Reaktionen vom chinesischen Festland zurückzuführen. Das vermutet zumindest die üblicherweise gut informierte Hongkonger Zeitung The Standard. Wie das Branchenblatt Hollywood Reporter erfahren haben will, ist die Maßnahme Bestandteil einer globalen Strategie, mit deren Hilfe die chinesische Führung Kontrolle über den amerikanischen Filmimport gewinnen will. Dabei geht es offenbar vor allem darum, China-kritische Inhalte bereits im Vorfeld auszumachen und zu unterbinden.

Staatliche Sender reagieren erwartungsgemäß

Bereits diese Woche hat sich TVB, der größte Free-TV-Sender Hongkongs, zur Pekinger Linie bekannt und die ursprünglich eingeplante Übertragung abgesagt – zum ersten Mal seit 1969. Der Sender ist in Staatsbesitz mit einigen Beteiligungen chinesischer Geschäftsleute, die auf dem Festland angesiedelt sind. Die Begründung von TVB folgt den üblichen Propaganda-Richtlinien des chinesischen Regimes. Für die Entscheidung seinen ausschließlich kommerzielle Gründe verantwortlich, heißt es aus der Geschäftsführung. Angeblich wolle niemand in Hongkong die Preisverleihung sehen, obwohl in diesem Jahr gleich zwei Filme mit Bezug zu Hongkong nominiert sind: 

Der Spielfilm “Better Days”, von Regisseur Derek Tsang geht mit guten Chancen in der Kategorie “Bester internationaler Film” an den Start – seit “Lebewohl, meine Konkubine” von Chen Kaige aus dem Jahr 1994 erstmals wieder eine Nominierung in dieser Kategorie.

“Do not split”, eine amerikanisch-norwegische Koproduktion von Anders Hammer, ist in der Kategorie “Bester Dokumentarfilm” nominiert. Er behandelt die Demokratiebewegung in Hongkong aus dem Jahr 2019 und geht auch auf das gewalttätige Einschreiten der Polizei ein.

Vorgeschobene Gründe für das Oscar-Verbot

Dass insbesondere “Do not split” nicht in das Öffentlichkeitsbild passt, dass China der Welt von sich vermitteln möchte, ist nachvollziehbar. Dennoch erscheint den obersten chinesischen Propagandisten die Strategie, das Verbot der Oscar-Übertragung daran festzumachen, offenbar als strategisch unklug. Stattdessen zaubert das Regime ein weit zurückliegendes Interview der Regisseurin Chloe Zhao hervor. In dem Interview gebe es angeblich kritische Äußerungen der Regisseurin über die Zentralregierung, geäußert 2015 in einem Interview über ihren ersten Film „Songs My Brothers Taught Me“. Die Arbeit an dem Film habe sie an ihre Teenager-Zeit in China erinnert, „an einen Ort, an dem überall gelogen wird.“

Es erfordert einiges an propagandistischer Motivation, um eine solche Äußerung einer jungen Regisseurin auf die chinesische Zentralregierung zu beziehen. Der gedankliche Spagat, der dazu erforderlich ist, weist auf eine argumentative Notlage der chinesischen Führung hin, um ein anderes Ziel zu kaschieren, das China offenbar sehr am Herzen liegt. Vermutlich ist derzeit eine breit angelegte Kampagne der chinesischen Führung gegen Hollywood auf dem Weg. Sie soll durch Zensur und die nun ausgesprochene Sperre der Oscar-Übertragung Produzenten und Regisseure mit mehr oder weniger sanfter Gewalt dazu bewegen, in Zukunft vor allem China-freundliche Inhalte zu fördern und kritische Filmemacher zu behindern.

Ob Hollywood künstlerische Freiheit vor wirtschaftliche Interessen auf dem chinesischen Markt stellt, wird die Zukunft zeigen.