CDU setzt im Wahlprogramm auf Bewegungslosigkeit

Das nun veröffentlichte Wahlprogramm der CDU für den Bundestagswahlkampf, „Stabilität und Erneuerung“, ist ein Plädoyer für klassischen Konservatismus: Möglichst vollständiger Erhalt bisheriger Werte, möglichst wenig Veränderung. Ob sich damit die großen Fragen der Menschheit in den kommenden Jahrzehnten lösen lassen, bleibt abzuwarten.

Dass Wahlprogramme eine Sammlung von Versprechungen sind, die insbesondere die Wünsche der Stammwählerschaft erfreuen, ist allgemein geübte Praxis. Den Qualitätstest durchläuft ein Papier dieser Art allerdings bei der Frage, inwieweit die enthaltenen Wohltaten auch realisierbar und – vor allem – finanzierbar sind. In diesem Bereich hat das 140-seitige Wahlprogramm der CDU wenig zu bieten.

Modernisierungspläne bleiben vage

Geht es um das Thema Modernisierung der Gesellschaft, blitzt bei den Christlichen Demokraten reflexartig der Bereich Industrie auf. So ist es auch im aktuellen Wahlprogramm: Modernisierung – das bedeutet für die CDU weniger Bürokratie für die Industrie. So soll es zu mehr und schnelleren Investitionen kommen.

Dass Modernisierung auch weitere wichtige Aspekte beinhaltet – die Beschleunigung der Digitalisierung oder den Ausbau erneuerbarer Energien beispielsweise – taucht auf dem Radar der rechten Mitte so gut wie nicht auf. Der Titel des Wahlprogramms, Stabilität und Erneuerung, erscheint nach dem Lesen eher als Wortliste zur Abarbeitung: Stabilität? Ja, bitte. Erneuerung? Nein, danke.

Klimaschutz: unklare Ansage

Aus der Struktur des Wahlprogramms scheint sich eine dominierende Tendenz herauszukristallisieren: Klimaschutz ist ein Thema unter vielen, das keiner besonderen Beachtung bedarf. Zu einem der Leitthemen über die Zukunft des Planeten ist in dem Papier überraschend wenig zu lesen, und das auch erst im letzten Teil des Programms.

Der Text enthält bei der Klimapolitik alle Anzeichen, die in einem Wahlprogramm auf einen ungeliebten Themenbereich hinweisen. Die Aussagen zum Thema sind vage und unverbindlich formuliert und bedienen meist nur Allgemeinplätze. Gibt es eine konkrete Forderung – hier das Erreichen der Emissionsneutralität bis 2045 – fehlt jede konkrete Erläuterung darüber, wie dieses Ziel in gelebte Wirklichkeit umgesetzt werden kann.

Wie augenscheinlich die innerparteiliche Orientierungslosigkeit fortgeschritten ist, zeigt sich gerade in der Klimapolitik. Selbst die eigene Gruppierung, die sich mit dem Thema befasst, äußert sich ablehnend zu den klimabezogenen Ausführungen im Wahlprogramm.

Abschiedsbrief an die Grünen

Der Traum von der schwarz-grünen Koalition nach der Bundestagswahl am 26. September scheint seit dem Erscheinen des Wahlprogramms bereits ausgeträumt, bevor er richtig begonnen hatte. Offenbar gilt das Wahlprogramm auch als deutliches Signal an die konservativen Basiswähler: Einen Grünstich soll der schwarzen Anstrich des Parteiprogramms nicht erhalten.

Für die Grünen ist der Weg zu einer Koalition mit der CDU damit so gut wie versperrt. Die Klimapartei könnte bei einem Zusammengehen mit einem Partner kaum darauf verzichten, dass dieser die Pariser Klimaziele ebenso konsequent verfolgt wie sie selbst. Das bei der CDU anzunehmen, dürfte kam der Realität entsprechen.

FDP als Koalitionspartner anvisiert

Liest man das Wahlprogramm unter dem Aspekt der Koalitionsbildung, enthält es so ziemlich alles, was auch FDP-Wähler glücklich macht. Das wird besonders bei Fragen zur Finanzpolitik deutlich, wo sich das Programm über die sonst dominierende Unverbindlichkeit hinausschwingt: Abschied von der Idee der Vermögenssteuer, Reformen bei den Unternehmenssteuern, Abschaffung des Solidaritätszuschlags.

Auch in der Klimapolitik scheint es das CDU-Wahlprogramm auf die Erfüllung innigster FDP-Träume abgesehen zu haben. In den wenigen Passagen, in denen das Papier zum Thema Klima konkret wird, geht es um FDP-Positionen, vor allem um die ökologische Vision der gelben Partei, die Lösung des Klimaproblems über den Markt. Das Mittel der Wahl soll dabei der Emissionshandel sein.

Das goldene Kalb konservativer Wahlstrategie fehlt auch im aktuellen Wahlprogramm nicht: die konsequente Abkehr vom Tempolimit für Autofahrer. Das und die Ablehnung jeglicher Dieselfahrverbote soll der Stammwählerschaft die beruhigende Botschaft vermitteln, wie sie seit Konrad Adenauer das Leitbild der CDU darstellt: keine Experimente.