Bundeseinheitliche Corona-Regeln auf dem Weg

Berechtigte Chancen auf die Wahl zum Wort des Jahres hat ein neuer Begriff, der das Leben der Deutschen bestimmen wird: Bundesnotbremse. Gemeint die die gestern nach langem Ringen beschlossene Änderung des Infektionsschutzgesetzes, um beim Eintreffen bestimmter Parameter gemeinsame nationale Maßnahmen umzusetzen.

Ein Jahr gelebte Erfahrung unter der Knute einer weltweiten Pandemie waren nötig, um die Bundesregierung zu einer einheitlichen Handlungsweise gegen ein globales Problem zu bewegen. Während in den USA und in Israel durch entschlossenes Vorgehen der Zentralregierung der Großteil der Bevölkerung bereits seine Schutzimpfung erhalten hat und der Schwerpunkt auf Lockerung und Öffnung liegt, müht sich das deutsche Gesundheitswesen noch immer mit der Eindämmung ausufernder Infektionszahlen ab.

Wo der Föderalismus seine Grenzen hat

Was sich in vielen anderen Themenbereichen über die Jahrzehnte hinweg als erfolgreiches Modell bewährt hat – die politische und verwaltungstechnische Autonomie der Bundesländer – muss bei der Bewältigung von Großkrisen wie der Pandemiebekämpfung zwangsläufig scheitern.

Die Kritik an der bisherigen deutschen Eindämmungspolitik kommt nicht von ungefähr – sie ist das Ergebnis einer falschen Sichtweise auf das Problem. Die Bekämpfung einer grassierenden Epidemie ist ein Bestandteil der Landesverteidigung – und die lässt sich eben nicht auf Länderebene betreiben.

So sehen die neuen Regeln aus

Zwar bedarf der Beschluss des neuen Infektionsschutzgesetzes noch der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat. Was jedoch bereits jetzt als sicher gilt, ist das im Gesetzesentwurf beschriebene gemeinsame Vorgehen beim Eintreffen eines bestimmten Inzidenzwerts.

Konkret heißt das: Laut neuem Gesetz sollen ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 diese Maßnahmen in Kraft treten:

  • Private Treffen eines Haushaltes dürfen mit höchstens einer weiteren Person stattfinden, Kinder nicht eingerechnet. Die maximale Personenzahl beträgt fünf.
  • Es tritt eine nächtliche Ausgangssperre zwischen 21 und 5 Uhr in Kraft, die nur wenige Ausnahmen zulässt, beispielsweise medizinische Notfälle oder den Weg zur Arbeit. Spaziergänge sind in dieser Zeit ausgeschlossen.
  • Die maximale Gruppenzahl bei Todesfällen beträgt 15.
  • Geschäfte, Freizeiteinrichtungen, Kulturstätten und gastronomische Betriebe werden geschlossen.
  • Bei sportlicher Betätigung ist nur kontaktloser Individualsport zugelassen. Er kann allein, zu zweit oder mit Angehörigen des eigenen Haushalts durchgeführt werden. Als Ausnahme gelten Wettkämpfe und das Training für Leistungs- und Profisportler.
  • Übernachtungsangebote auf touristischer Basis sind verboten.

Ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 200 kommen zu diesen Maßnahmen noch Schulschließungen hinzu. Fällt der Inzidenzwert unter 100, bleibt es bei der Festlegung der Corona-Regeln beim bisherigen föderalen Verfahren, basierend auf den Beschlüssen der Bund-Länder-Konferenzen.

Theoretisch kann das Gesetz bereits in zwei Wochen in Kraft treten. Vorgesehen ist die Beschlussfassung im Bundestag im Rahmen eines beschleunigten Verfahrens, für das allerdings eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist.

Zwar bewertet die Bundesregierung das Verfahren als vom Bundesrat nicht zustimmungspflichtig. Dennoch kann die zweite Kammer das Gesetz über einen Einspruch blockieren.

Gemischte Reaktionen der politischen Lager

Insbesondere die Verwendung unscharfer politischer Formulierungen beim Gesetzgebungsverfahren moniert Bundesratspräsident Reiner Haseloff (CDU) und beklagt, dass „viele Dinge nicht ausreichend geklärt“ seien.

Ins gleiche Horn stößt der Bundetags-Vize der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU). Auch nach seiner Sicht muss es zumindest eine Beteiligung des Bundesrats geben – wenn auch nicht unbedingt dessen Zustimmung.

In seiner jetzigen Form sieht der Gesetzesentwurf vor, dass der Bundestag dem Text einmalig zustimmt und danach nicht mehr beteiligt ist. Dem steht die Forderung der SPD entgegen, das Gesetz so anzupassen, dass jede neue Verordnung wieder der Zustimmung der Bundesregierung bedarf. Lauf Fraktionsvorsitzendem Dirk Wiese ist das die Voraussetzung für die Zustimmung der SPD.

Einfach macht es sich die FDP mit ihrer globalen Abwehrhaltung gegen das neue Gesetz. Nach Aussage von FDP-Chef Christian Lindner werde die Partei dem Gesetzesentwurf nicht zustimmen. Nach einem Jahr Pandemie könne die Antwort nicht der erneute Lockdown und Stillstand sein. Offenbar geht die Partei davon aus, eine Pandemie habe sich an bestimmte Verhaltensmaßregeln zu halten, um die wirtschaftliche Entwicklung nicht zu gefährden.