Börsengang von Auto1 hat Privatkunden im Fokus
Die Erfolgsgeschichte von Online-Gebrauchtwagenhändler Auto1 hängt nicht zuletzt auch mit der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Rückbesinnung auf den Individualverkehr zusammen. Dass der Börsengang am 4. Februar mitten in die weltweite Gesundheitskrise fällt, ist eine logische Folge dieser Entwicklung.
Wie eine Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt belegt, stellt Corona einen wesentlichen Impuls für den Wechsel zum Auto als wichtigstes Verkehrsmittel dar. Rund 50 Prozent der Befragten gaben an, im November und Dezember vor allen Dingen das Auto als Fortbewegungsmittel gewählt zu haben. Das ist eine Steigerung um zehn Prozent gegenüber der Zeit vor Corona. Im gleichen Zeitraum fielen die Nutzerzahlen für den öffentlichen Nahverkehr von 13 auf 9 Prozent.
Dass sich diese Entwicklung auch auf die Autoverkäufe auswirkt, darf nicht verwundern. Allerdings ist bei den Segmenten Neuwagen und Gebrauchtwagen eine unterschiedliche Entwicklung zu beobachten. Der Absatz von Neuwagen ist in Zeiten von Jobverlust und Zukunftsangst massiv eingebrochen: Rund 2,9 Millionen verkaufte Modelle im Jahr 2020 stellen die niedrigste Zahl seit dem Mauerfall im Jahr 1989 dar. Die Menge der Gebrauchtwagenverkäufe blieb dagegen nur knapp unter dem Vorjahr, so eine Untersuchung der Deutschen Automobil Treuhand.
Großes Interesse an Auto1-Aktien
Mit großen Erwartungen sehen Anleger dem Börsengang des mit einer Milliarde Euro bewerteten Unternehmens entgegen. Die Preisspanne für die Aktien des erfolgreichsten Online-Gebrauchtwagenhändlers Europas legte das Unternehmen auf 32 bis 38 Euro fest. Auf den Markt kommen etwa 31,3 Millionen Neuaktien aus einer Kapitalerhöhung und 15,6 Millionen Papiere, die von Alteigentümern stammen.
Wie in der Wirtschaftspresse berichtet, besteht lebhaftes Interesse an den Auto1-Aktien: Kauforders für das gesamte Emissionsvolumen von 1,5 bis 1,8 Milliarden Euro gingen in weniger als einer halben Stunde ein. Einer der Gründe für die lebhafte Nachfrage dürfte die geplante Erweiterung des Geschäftsmodells auf den direkten Verkauf an Endverbraucher sein.
Ein nicht völlig risikofreies Geschäft
Auto1 beschreibt in seinem Börsenprospekt selbst die Risiken des Geschäftsmodells. Für Gebrauchtwagen gibt es ein Verfallsdatum, ähnlich dem im Lebensmittelsektor. Erfolgt der Weiterverkauf nicht schnell genug, lassen sich die Fahrzeuge nur noch mit geringem Gewinn oder sogar mit Verlust abstoßen.
Entsprechend wichtig ist eine eingehende Datenanalyse, um die Verkaufschancen der Gebrauchtwagen zu optimieren. Auto1 hat durch die Erfassung von rund fünf Millionen Datenpunkten pro Tag die größte Datenbank Europas aufgebaut, was dem Unternehmen eine markante Führungsposition auf dem umkämpften Gebrauchtwagenmarkt sichert. Insbesondere die Präzision bei der Preisbildung und die exakte Nachfragesteuerung profitieren von diesem immensen Datenbestand.
Die erfolgreiche Strategie von Auto1 zeigt sich anschaulich bei den Margen: Laut Börsenprospekt beträgt die durchschnittliche Handelsspanne pro Auto 556 Euro, bei einem durchschnittlichen Verkaufspreis von 5.646 Euro. Die ersten drei Quartale 2020 verliefen noch erfolgreicher: In dieser Zeit betrug der durchschnittliche Aufschlag 597 Euro und der durchschnittliche Verkaufspreis 6.029 Euro.
Privatkunden als neue Perspektive
Groß geworden ist Auto1 mit dem Ankauf von Autos aus privater Hand und dem Weiterverkauf an Händler. Insbesondere bei neueren Gebrauchtwagen nimmt das Unternehmen nun auch den Privatkunden ins Visier und erhofft sich davon höhere Profite. Speziell dafür steht die Internetplattform Autohero am Start.
Die Ziele sind ambitioniert. Pro verkauftem Wagen erwartet Auto1 einen Rohgewinn von über 1.000 Euro. Das lässt insbesondere die Kalkulation von Einkaufs- und Verkaufspreisen zur zentralen Herausforderung werden. Zusätzlich gilt es, dem Endverbraucher den Verkaufskanal Internet für ein beratungsintensives Produkt wie den Gebrauchtwagen schmackhaft zu machen. Umfassende Informationen, individuelle Beratung und der problemlose Zugang zu Probefahrten sind dabei wesentliche Verkaufsargumente.
Fortgeschrittene Technologien wie Augmented Reality, mit denen sich das Auto bereits am Bildschirm eingehend untersuchen und beurteilen lässt, sollen Berührungsängste insbesondere auch bei älteren Kunden abbauen. Das Unternehmen zeigt sich zuversichtlich, dass sich das neue Geschäftsfeld profitabel entwickeln wird.
Risiken sieht Auto1 laut Börsenprospekt in den hohen Investitionen für die neue Plattform. „Wir erwarten, dass sich das Wachstum abschwächt und können nicht garantieren, dass wir jemals profitabel werden und es bleiben“, so das Statement des Unternehmens.
Eine weitere Risikoquelle ist die Konkurrenz im eigenen Haus. Durch die Konzentration auf den Endkunden kann es zu Einbrüchen beim Geschäft mit den Händlern kommen. Inwieweit sich das auf das Gesamtergebnis auswirkt, bleibt abzuwarten.