Bill Gates setzt beim Klimawandel auf Atomstrom

Microsoft-Gründer Bill Gates beweist mit seinem neuen Buch „Wie wir die Klimakatastrophe verhindern“, dass großer Reichtum und ein herausragendes Talent auf einem Spezialgebiet nicht zwangsläufig mit überlegenem Wissen auf anderen Gebieten verbunden sein muss. Gates Denkmodell zum Klimawandel sieht Atomkraft als Schlüsseltechnologie vor, in die der Unternehmer und Stifter auch noch kräftig investiert.

In der Welt des Bill Gates sind globale Problemlösungen ganz einfach. Demnach müssen nur fossile Energieträger gegen Strom getauscht werden, und die Netto-Emissionen sinken bis 2050 auf Null. Auch für den so entstehenden, immensen Strombedarf hält der Vater des PC eine Lösung bereit: Atomkraft.

Ein Buch auf der falschen Seite der Geschichte

Bill Gates, der gemeinsam mit Warren Buffett einen Großteil seines privaten Vermögens in die soziale Stiftung „The Giving Pledge“ investiert hat, stellt die Weichen für den Klimawandel in Richtung Vergangenheit. Das jüngst erschienene Buch liest sich streckenweise wie eine Kampfschrift der Nuklear-Lobby.

Demnach können die alternativen Energielieferanten Wind und Sonne niemals den anstehenden Bedarf decken, vor allem wegen der wetterbedingten Schwankungen bei der Energieerzeugung. Dass intelligente digitale Steuerungen, Smart Grids, Schwarmintelligenz und eine ständig voranschreitende Batterietechnologie in der Lage sind, dieses Problem zu lösen, findet im Buch keine Erwähnung.

Argumentation am Rande von Fake News

Eines der Hauptargumente der Atomkraft-Lobby – nämlich, dass durch Atomkraft pro Jahr weniger Menschen ums Leben kommen als durch den Straßenverkehr – findet sich auch in Bill Gates Buch. Was fehlt, ist das Risiko, ganze Landstriche im Falle eines Reaktorunfalls auf Jahrhunderte hinaus unbewohnbar zu machen. Im Grunde genügt ein einziger Unfall, um den über Jahrzehnte angesammelten ökologischen Nutzen aller Kernkraftwerke einer Region mehr als zunichte zu machen.

Das Buch sackt streckenweise in populistische Kommunikationstechniken ab, insbesondere bei der Aufstellung unbestätigter oder unrichtiger Behauptungen. Geht es nach Bill Gates, sind alle Probleme und Risiken, die mit Kernkraft in Verbindung stehen, bereits heute gelöst. Das gilt sowohl für die Betriebssicherheit, die Vermeidung von Störfällen und sogar für die Endlagerung strahlender Abfallstoffe.

Das Buch folgt bewährten Mustern, um der gescheiterten Kernkraft wieder zu neuem Glanz zu verhelfen. Ein beliebtes Mittel dazu ist der Verweis auf neue Technologien wie den Thorium-Reaktor, der sowohl sicherer in der Anwendung ist als auch weniger strahlende Abfallstoffe verursacht. Was bei der Argumentation in der Regel außen vor bleibt: Die Thorium-Technologie befindet sich noch in den Kinderschuhen. Bis zur industriellen Anwendung ohne Zwischennutzung von Uran können noch Jahrzehnte vergehen.

Ähnliches gilt für das immer wieder hervorgebrachte Argument des hohen Platzbedarfs bei Windrädern, das auch den Weg in das Buch gefunden hat. Abgesehen von der Möglichkeit, die Produktionskapazitäten in Offshore-Parks zu verlegen, wo sie keinerlei Landfläche in Anspruch nehmen, erweckt das Argument darüber hinaus den Eindruck, als wäre die Landfläche unter einem Windrad für jegliche weitere Nutzung verloren.

Eigenes Nuklear-Engagement auf dem falschen Weg

Des Microsoft-Gründers im Buch aufscheinende Begeisterung für Atomstrom hat einen konkreten Grund: Mit seinem Unternehmen TerraPower engagiert sich der frühere Computerpionier heute massiv in Kernkraft, insbesondere durch die Produktion modular aufgebauter Atomkraftwerke.

Ein Mann, der große Teile seines Vermögens in die Förderung von Gesundheit, Chancengleichheit und die Bildung unterprivilegierter Menschen investiert, hinterlässt ein Erbe, das über Generationen hinweg Auswirkungen hat. Bedauerlich, wenn das alles durch die Hinwendung zu einer verhängnisvollen Fehlentscheidung wieder in Frage steht.