Bertelsmann erwägt Zusammenschluss von RTL und Gruner + Jahr

Die Entwicklung einer gemeinsamen Wachstumsstrategie ist nach Angaben von Bertelsmann-Chef Thomas Rabe der Grund für Überlegungen zu einem Zusammenschluss der Unternehmenstöchter Gruner + Jahr (G+J) und RTL. Der eigentliche Grund dürften allerdings der durch das Internet ausgelöste Wandel in der Medienlandschaft Deutschlands sein.

Die angedachte Fusion ist Teil einer größer angelegten Strategie des Medienkonzerns. Dabei gehe es für Bertelsmann vor allem darum, eigene Antworten auf den Wettbewerb mit den globalen Tech-Plattformen zu finden, so Thomas Rabe in einem internen Video.

Corona als Prozessbeschleuniger

Die Strategie der engeren Kooperation unter den Konzerntöchtern dürfte auch durch den wirtschaftlichen Druck Fahrt aufgenommen haben, in den die Medienhäuser durch die Corona-Krise geraten sind. Dabei scheint die G+J-RTL-Fusion nur der ersten von mehreren angedachten Schritten darzustellen.

„Wir stehen am Beginn eines ergebnisoffenen Prozesses, in dem es keine Vorfestlegungen, aber auch keine Denkverbote gibt“, sagt dazu Vorstandsvorsitzender Rabe. „Wichtig ist, dass wir gemeinsame Potenziale erschließen und noch mehr Wachstum ermöglichen.“

Nach Angaben des Konzernchefs stehen die erforderlichen Mittel für die neue Ausrichtung bereit. Ob zu deren Beschaffung allerdings auch Sparmaßnahmen gehören – etwa im personellen Bereich – ließ Rabe offen.

Kurswechsel aus festem Stand heraus

Der Bertelsmann-Chef startet seine Kampagne zur Strukturverdichtung aus sicherer Position: Der Vorstand stattete Rabe im Januar vorzeitig mit einer fünfjährigen Vertragsverlängerung aus. Damit bleibt dem seit 2012 tätigen Unternehmenskapitän Zeit bis mindestens 2026, um seine Pläne umzusetzen.

Die anstehende Maßnahme ist bereits der zweite strategische Entwurf des Bertelsmann-Chefs. Bereits zu Beginn seiner Amtszeit im Unternehmensvorstand erregte Thomas Rabe mit einer strukturellen Kampagne Aufmerksamkeit. Damals ging es es um die Themenbereiche Wachstum, Internationalisierung und Digitalisierung.

Zusammenschluss zweier angeschlagener Riesen

Als gleichzeitiger Vorstandschef der RTL Group musste Rabe die Verwerfungen, die Corona in der Medienlandschaft erzeugt, aus nächster Nähe erfahren. Die zur Gruppe gehörenden Sender RTL, n-tv  und Vox leiden seit Ausbruch der Pandemie unter massiven Rückgängen bei den Werbeeinnahmen. Entsprechende Einbrüche bei Umsatz und Gewinn drücken schwer auf die Unternehmensbilanzen: Allein im ersten Halbjahr 2020 sank der Umsatz auf 2,65 Milliarden Euro – das ist ein Rückgang um satte 16,4 Prozent.

Nicht viel erfreulicher stellt sich die Situation beim Medienhaus Gruner und Jahr dar. Premium-Titel wie Brigitte oder Stern mussten ebenfalls herbe Rückgänge einstecken. Der Umsatz des ersten Halbjahres 2020 sank von 677 Millionen auf 524 Millionen Euro.

Als kleinerer Partner des Zusammenschlusses mit RTL ist die Zukunft des Medienhauses ungewiss. Auch die Ablösung von G+J-Chefin Julia Jäkel durch Stephan Schäfer lässt auch tiefgreifende Veränderungen schließen, denn das Vorstandsmitglied Schäfer war bereits zuvor auch für die RTL-Inhalte zuständig und zeichnet persönlich für den Rausschmiss von Dieter Bohlen aus der Jury von „Deutschland sucht den Superstar“ verantwortlich.

Julia Jäkel hinterlässt ein Medienhaus, dessen Umsatz sich während ihrer Amtszeit trotz intensiven Umbaus halbiert hat. Nicht zuletzt deshalb kam es Ende Januar zur Bündelung der Berichterstattung für die Bereiche Politik und Wirtschaft im Hauptstadtbüro Berlin – und das gleich für drei Magazine: Stern, Capital und Business Punk.

Der Wettbewerb mit Facebook & Co. wird härter

Dass sich Bertelsmanns Fokus weg von werbefinanzierten Geschäftsmodellen und hin zu alternativen Konzepten wie dem konzerneigenen Streamingdienst TV Now verlagert, geht vor allem auf den Druck der globalen Plattformen wie Google oder Facebook zurück. Dazu gehört auch eine Kooperation mit der Deutschen Telekom, um das TV Now-Angebot in einige Tarife des Telekommunikationsunternehmens zu integrieren.

Bertelsmann setzt bei seinem auf Synergien beruhenden Konzept auf den Ausbau nationaler Marktpositionen im Rahmen einer koordinierten Strategie. Der Medienkonzern möchte in jedem Land, in dem er präsent ist, Marktführer werden. Das ist für Thomas Rabe der einzige Weg, gegen die globalen Online-Giganten bestehen zu können. „Allein und auf sich gestellt werden unsere Geschäfte in diesem Wettbewerb langfristig kaum bestehen“, sagt der Vorstandschef. „Unsere Antwort heißt daher: mehr Zusammenarbeit, um an Größe, Ressourcen und Kompetenz zu gewinnen.“