Bei der Nachhaltigkeit von Immobilien rückt die Taxonomie in den Vordergrund
Bei den Bemühungen von Politik und Immobilienwirtschaft, Nachhaltigkeit zum zentralen Faktor für Bau und Betrieb von Gebäuden werden zu lassen, rücken Fragen der Taxonomie und ihrer Regulierung ins Zentrum des Interesses, dies insbesondere auf europäischer Ebene.
Einen konkreten Schritt in Richtung belastbarer Taxonomie hat die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) mit ihrem Zertifizierungssystem für Gebäude, Innenräume und Quartiere auf den Weg gebracht. Das System lässt sich sowohl auf Neubauten als auch auf Bestandsbauten anwenden. Es dient als Werkzeug zur Planung und Optimierung, mit dem Ziel, die Nachhaltigkeit von Immobilienprojekten zu steigern und damit einen ganzheitlichen Qualitätsstandard in den Bereichen Planung, Bau und Betrieb umzusetzen.
Umfassender Prüfbereich
Das DGNB-Siegel umfasst einen dreistufigen Zertifizierungsprozess: Lebenszyklus, Ganzheitlichkeit und Performance. Das erlaubt die Betrachtung der Nachhaltigkeit von Gebäuden nicht nur über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg, sondern auch in Hinblick auf die Auswirkungen der Immobilie auf die Umwelt, den Verbrauch an Ressourcen sowie die Kosten für Bewirtschaftung und Instandhaltung.
Somit umfasst das DGNB-Zertifikat alle drei Bereiche ESG-konformer Immobilienwirtschaft: Ökologie, Ökonomie und Sozialverträglichkeit. Ein wichtiges Ziel des Zertifikats, das sich als Element des Green Deals der EU und des europäischen Aktionsplans für nachhaltige Finanzierung versteht, ist es, den Finanzsektor zu regulieren.
Finanzsektor als zentrales Steuerinstrument
Laut Auffassung der DGNB fungiert der Finanzsektor als wichtigster Hebel zur Steuerung von Investitionskapital. Dabei gehören Immobilien zu den wichtigsten Objektgruppen, in die Kapital investiert wird.
Damit steht die Immobilienwirtschaft als systemrelevante Branche besonders im Fokus. “Daher müssen besonders für Gebäude verbindliche Kriterien existieren”, sagt dazu DGNB-Vorstandsmitglied Dr. Christine Lemaitre.
EU-Taxonomie teilweise unbefriedigend
Aus Sicht der DGNB und des hohen Standards beim eigenen Zertifizierungsprozess lösen die EU-Taxonomiekriterien in mehreren Bereichen Enttäuschung aus. In einer offiziellen Stellungnahme spricht die DGNB sogar von einem “unambitionierten Rückschritt”.
„Der Markt will Qualität und kann sie auch liefern. Es ist schade, dass die EU das nicht berücksichtigt hat“, meint dazu Mette Qvist, CEO des Green Building Council Dänemark. Dabei wären mehr Planungssicherheit und Transparenz mehr als nötig. Das eigene Land sieht Mette Qvist mit seinen hohen Maßstäben und Zielsetzungen dabei als Vorreiter an.
Weg vom Neubau – hin zur Immobilienerhaltung
Nach und nach zeichnet sich ein entstehender Megatrend im Bereich nachhaltiger Immobilienwirtschaft ab. Die Entwicklung weist in die Richtung, weniger Neubauten zu errichten und stattdessen Bestandsimmobilien zu erhalten, umzubauen und effizienter zu machen.
Innovative Konzepte, beispielsweise in Dänemark, sehen sogar die radikale Abkehr von der Neuerrichtung von Gebäuden vor. Diese Strömung hat sogar eine soziale Basis: Sie entstammt der gesellschaftlichen Mitte, vor allem bei jüngeren Menschen, gefördert auch durch Pensionsfonds und spezielle Investoren.
Zertifizierung nur als Teil der Lösung
Unabhängig von der Frage, ob die Zukunft der Immobilienwirtschaft beim Neubau oder bei der Bestandserhaltung liegt, sind Zertifizierungsverfahren ein zentrales Mittel, um Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft zu fördern. Beim globalen Blick auf das Thema ergibt sich allerdings ein umfassenderes Bild.
Nachhaltiges Bauen ist eine globale Herausforderung, so wie die Auswirkungen der globalen Erwärmung. Unter diesem Aspekt ist die Betrachtung einzelner Gebäude und ihrer ökologischen Ausprägung nicht ausreichend.
In Zukunft sind Verfahren gefragt, die die urbane Transformation ganzer Städte zum Thema haben. Auch systemweite Verfahren zur Senkung des Energiebedarfs und die Optimierung des Verkehrs- und Transportwesens müssen im Mittelpunkt von Nachhaltigkeitsüberlegungen stehen. Für dieses Ziel wird die Taxonomie alleine nicht ausreichen.
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