BaFin zweifelt Ernst & Youngs Eignung als Bilanzprüfer an
Im Zuge des Wirecard-Skandals selbst unter massiven Druck geraten, gibt die Finanzaufsichtsbehörde BaFin das Kompliment nun an einen alten Bekannten weiter: Die Behörde lässt derzeit prüfen, ob das Wirtschaftsprüfungsunternehmen Ernst & Young (EY) geeignet ist, Bilanzen von Finanzkonzernen zu prüfen und zu testieren.
Pikant ist der Vorstoß der BaFin insbesondere, als sich die Behörde bisher immer fest auf die Berichte von EY verließ und sie zur Grundlage ihrer Entscheidungsfindung gemacht hat – dies insbesondere im Zusammenhang mit Wirecard, deren Abschlüsse über Jahre hinweg bei der BaFin Wohlgefallen auslösten.
Prüfung unter ministerieller Federführung
Der Befreiungsschlag der BaFin gegenüber ihrem vertrauten Wirtschaftsprüfer findet offenbar unter der Ägide des Bundeswirtschaftsministeriums statt. Die Behörde verkündet in staatstragendem Ton: „Die Bafin untersucht derzeit, ob eine Prüfung der Abschlüsse der von ihr beaufsichtigten Unternehmen durch die Ernst & Young GmbH WPG dazu führt, dass die Erreichung des Prüfungszwecks gefährdet wird, und falls ja, ob eine Gefährdung durch bestimmte Maßnahmen seitens der Unternehmen ausgeschlossen werden kann.“ Oder in einfachen Worten: Die BaFin untersucht, welche Auswirkungen ihre Fehlentscheidungen haben.
Die Prüfung ist von prinzipieller Bedeutung. Sie soll die Frage klären, ob ein Privatunternehmen mit einem hybriden Geschäftsmodell wie das bei EY die Autorität und Neutralität aufweist, um Bilanzen von Finanzunternehmen rechtssicher und objektiv zu bewerten. Bislang stand diese Frage nicht auf der Tagesordnung: Über Jahre hinweg hat die BaFin EY-Prüfberichte anstandslos testiert – insbesondere auch die von Wirecard, was die Behörde selbst ins Kreuzfeuer der Kritik hat geraten lassen.
Prüfung des Prüfers – ein zweischneidiges Schwert
Die laufende Prüfung der Eignung von EY als Bilanzprüfer durch die BaFin kann sich allerdings auch zu einem Bumerang für die Behörde entwickeln. Finanzkonzerne sind verpflichtet, ihre Bilanzprüfer gegenüber der BaFin zu nennen, worauf die Behörde das Recht hat, die gewählte Prüffirma abzulehnen.
Ergibt sich die fehlende Eignung von EY als Fazit der BaFin-Untersuchung, erhebt sich zwangsläufig die Frage, warum die Behörde das Wirtschaftsprüfungsunternehmen in der Vergangenheit akzeptiert hat. Aus dem beabsichtigten Befreiungsschlag kann so unversehens massive Erklärungsnot werden.
Auch von Seiten der Europäischen Union wird der Wind rauer. Die EU-Kommission kündigt striktere Haftungsregeln für Wirtschaftsprüfer an, um Kompromisse bei Abschlussprüfungen zu vermeiden, wie es in einem Diskussionspapier der Kommission diplomatisch heißt. Das Ziel ist die allgemeine Steigerung der Qualität von Wirtschaftsprüfungen.
EY auch in Großbritannien in Erklärungsnot
Ernst & Young sieht sich nicht zum ersten Mal Vorwürfen mangelnder Objektivität und von Interessenkonflikten gegenüber. Im Juli 2020 erarbeitete das britische Financial Reporting Councel (FRC) Richtlinien für die Rolle privater Wirtschaftsprüfungsunternehmen bei der Abschlussprüfung von Unternehmen.
Die Richtlinien gehen auf eine mehrjährige Untersuchung führender Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zurück, darunter neben PwC, Deloitte und KPMG auch Ernst & Young. Insbesondere die Doppelrolle der Firmen als Prüfer und Berater erwies sich dabei zunehmend als problematisch.
Die FRC-Untersuchung ergab, dass sich der Beratungsbereich bei allen Unternehmen zusehends ausweitet und vielfach den Großteil der Gewinne verursacht. Das musste sich zwangsläufig negativ auf die Objektivität der gleichzeitig durchgeführten Prüfungen auswirken.
Die Konsequenz der Untersuchung findet sich in den vom FRC erarbeiteten Richtlinien wieder: So soll es Wirtschaftsprüfungsunternehmen nicht mehr erlaubt sein, ein und demselben Unternehmen sowohl Prüfungs– als auch Beratungsdienstleistungen zu verkaufen. Das soll insbesondere Bewertungspannen wie beim Wirecard-Skandal in Zukunft unmöglich machen.