Ampel-Koalition präsentiert ihr Konzept zum Arbeitsrecht

Tarifautonomie, Betriebsräte und Gewerkschaften – das sind unter anderem die Fokuspunkte, die SPD, Grüne und FDP in ihrer Koalitionsvereinbarung zum Thema Arbeitsrecht präsentiert haben. Obwohl Details zu den einzelnen Punkten noch ausstehen, lässt sich die Stoßrichtung der geplanten Maßnahmen bereits ausmachen: Es geht vor allem um mehr Digitalisierung und Flexibilität.

Eine Reihe von Maßnahmen sind darauf ausgerichtet, bereits eingeführte, aber befristete Änderungen dauerhaft zu fixieren. Das ist insbesondere im Bereich Gewerkschaften und Betriebsrat der Fall. Andere Themenkreise kommen neu hinzu, dürften aber in puncto Praxisbezug und Struktur noch Nachbesserungsbedarf haben.

Digitale Firmenzugänge für Gewerkschaften

Ein zeitgemäßes Recht für den digitalen Zugang zu den Betrieben – das sieht der Koalitionsvertrag ab der kommenden Legislaturperiode für Gewerkschaften vor und erfüllt damit eine länger bestehende Forderung der Arbeitnehmervertretungen.

Die Ausgestaltung des Rechtsrahmens für digitale Dienste soll nicht hinter den für die analoge Welt zurückfallen, so das Koalitionspapier. Auch die digitalen Rechte haben Artikel 9 des Grundgesetzes zur Grundlage. Darin geht es um den ungehinderten Zugang von Gewerkschaften zu den Betrieben, damit die Information und Anwerbung von Mitarbeitern auf breiter Ebene möglich ist.

Auch für Betriebsratssitzungen und Betriebsratswahlen sollen digitale Verfahren zum Standard werden. Solche Veranstaltungen digital durchzuführen, ist coronabedingt seit Einführung des Paragraph 129 Betriebsverfassungsgesetz möglich. Allerdings bestand für diese Maßnahme bisher eine zeitliche Beschränkung bis Juni 2021. Die Neuregelung führt den digitalen Betriebsrat nun dauerhaft ein, wobei jede Arbeitnehmervertretung individuell entscheiden kann, ob Veranstaltungen und Wahlen analog oder digital stattfinden sollen.

Nicht geklärt bleibt allerdings, ob auch Beschäftigte im Homeoffice in die Regelung mit einbezogen sind. Bislang ist das von der Zustimmung des Arbeitgebers abhängig.

Rechte zur Betriebsratsbildung ausgeweitet

Dass zahlreiche Unternehmen immer wieder Anstrengungen unternehmen, die Bildung eines Betriebsrats zu behindern oder zu unterdrücken, hat die linksliberale Koalition veranlasst, zusätzliche Schutzrechte zur Gründung von Betriebsräten in die Koalitionsvereinbarung aufzunehmen. So gelten Bemühungen der Unternehmensleitung, die Bildung eines Betriebsrats zu verhindern, künftig als Offizialdelikt.

Diese auf den ersten Blick eher formale Maßnahme hat weitreichende Konsequenzen: Sie ermöglicht es Ermittlungsbehörden und Staatsanwaltschaften, aus eigener Initiative heraus Ermittlungen und Anklagen auf den Weg zu bringen, ohne, dass es wie bisher einer Anzeige aus dem Kreis der Betroffenen bedarf.

Gleichzeitig sollen die bestehenden nationalen Regelungen bewahrt und die missbräuchliche Umgehung geltenden Mitbestimmungsrechts verhindert werden. Inwieweit sich aus der Bewahrung bestehender Bestimmungen und der Erweiterung der Schutzrechte für den Betriebsrat Rechtskonflikte ergeben könnten, wird die Zukunft zeigen.

Maßnahmen gegen Tarifflucht

Auch umfangreiche Maßnahmen gegen die Umgehung von Tarifverträgen sieht die Koalitionsvereinbarung zu. Dabei will die zukünftige Regierung insbesondere bei der öffentlichen Auftragsvergabe Standards setzen. So sollen öffentliche Vergaben grundsätzlich an die repräsentativen Tarifverträge der jeweiligen Branche gebunden sein.

Der gängigen Praxis von Unternehmen, durch den Wechsel der Besitzverhältnisse aus geltenden Tarifverträgen zu flüchten, sollen neue Bestimmungen einen Riegel vorschieben. Laufende Verträge sollen beim Inhaberwechsel obligatorisch weitergelten. Nähere Angaben zur Rechtspraxis fehlen allerdings im Koalitionsvertrag, dies insbesondere angesichts der Tatsache, dass gleichzeitig Paragraph 613a BGB unverändert gültig bleiben soll.

Mehr Flexibilität bei Beschäftigungsort und Arbeitszeit

Den Spagat zwischen europäischem und nationalem Arbeitsrecht versucht die Koalition bei der Gestaltung flexibler Arbeitszeitmodelle. Einerseits sollen dabei europäische Standards Berücksichtigung finden. Andererseits besteht der Plan, am nationalen Grundsatz der Vertrauensarbeitszeit festzuhalten.

Basis aller Arbeitszeitmodelle soll demnach der Achtstundentag bleiben. Neu ist ab dem kommenden Jahr die Möglichkeit, in Tarifverträgen von diesem Standard abzuweichen. Das schließt auch die bisherige Höchstgrenze von zehn Stunden pro Tag mit ein. Allerdings ist die neue Regelung vorerst nur befristet.

Ob es noch in der anstehenden Legislaturperiode zu einer dauerhaften Festlegung der neuen Flexibilisierungsregeln kommen wird, hängt vor allem von den Erfahrungen ab, die die Tarifpartner damit machen werden.

 

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