Amazon testet neue Vertriebswege

In den USA testet Online-Riese Amazon derzeit verschiedene alternative Vertriebsarten, um Waren noch schneller und effizienter zum Kunden zu bringen. Allen gemeinsam ist eine stärkere Einbindung des stationären Einzelhandels. Der kann bei den angetesteten Konzepten ganz unterschiedliche Rollen spielen.

Bei den getesteten Vertriebsideen kann der lokale Einzelhändler entweder die Rolle des Warenlieferanten oder des Logistikpartners übernehmen. Auch Kombinationen aus beiden Varianten sind denkbar. Die Hinwendung zum lokalen Handel belegt in jedem Fall, dass die Kluft zwischen Online- und Offlinehandel sich auf Dauer nachteilig für beide Seiten auswirkt, da jede der beiden Vertriebsformen Vorteile aufzuweisen hat. Amazon versucht nun, das Beste aus beiden Welten zu vereinen.

Lokale Einkaufszentren als Warenquelle

In mehreren amerikanischen Städten hat Amazon mit ausgewählten Einkaufszentren und Einzelhandelsgeschäften im Rahmen von Pilotprojekten Kooperationen geschlossen. Das Konzept sieht vor, dass die Auslieferfahrer nicht mehr die Amazon-Logistikzentren ansteuern, sondern die Einkaufsmärkte, um aus deren Sortiment Kunden im Einzugsbereich zu beliefern.

Vorteile zeigen sich dabei für alle Seiten: Kunden können vielfach noch am selben Tag beliefert werden, spätestens am Folgetag. Die Einkaufszentren und lokalen Händler erhalten die Möglichkeit, ihr Sortiment über Amazon zu verteilen. Und Amazon entlastet durch den direkten Vertrieb vom Lieferunternehmen zum Kunden seine Lagerkapazitäten.

Das Pilotprojekt umfasst derzeit nur einige ausgewählte Unternehmenskunden in Virginia, Nevada und Arizona. Die Idee dahinter ist, Amazon-Lieferanten direkt mit den Kunden zu verknüpfen, ohne dafür die eigene Lagerlogistik in Anspruch nehmen zu müssen.

Für die Kunden stellt sich das System teilweise nicht wie eine Amazon-Dienstleistung dar, sondern eher wie der Lieferservice der vor Ort bekannten Supermärkte und Einkaufszentren – besonders, wenn auf diesem Weg lokale Spezialartikel erhältlich sind, die den Kunden aus den persönlichen Besuchen in den Geschäften bekannt sind.

Rabattprogramm über Alexa

Ein weiterer Weg der Verknüpfung mit dem stationären Handel ist für Amazon die Aufnahme von individuellen Rabattangeboten lokaler Händler in die Alexa-Einkaufsliste. Das erlaubt es Kunden, Rabattaktionen direkt aus der App heraus zu nutzen.

Bei diesem Programm kaufen die Kunden die Produkte direkt im Geschäft und scannen den Beleg ein. Nach Übermittlung an Amazon erfolgt von dort ein Cashback an das Kundenkonto. Das Guthaben lässt sich dann für den nächsten Onlinekauf nutzen.

Von den so entstehenden Synergien profitieren beide Seiten. Amazon gewinnt neue Informationen über das Konsumverhalten seiner Kunden. Und die Kunden können attraktive Preisvorteile nutzen.

Der lokale Händler als Logistikpartner

Ein weiteres Testprogramm untersucht, ob sich kleinere Einzelhändler als Zustellstationen für die letzte Meile nutzen lassen. In dieser Variante liefern die Amazon-Zusteller ihre Waren für das gesamte Quartier an den Einzelhändler, der dann die individuelle Zustellung an die Kunden übernimmt. Alternativ können die Kunden ihre Bestellungen beim Einzelhändler abholen.

Das System gleicht in etwa den Paketshops der großen Logistikunternehmen wie DHL oder UPS. Für die Einzelhändler können sich daraus zusätzliche Einnahmequellen ergeben – einerseits durch die Zustelltätigkeit, andererseits durch eine Steigerung der eigenen Bekanntheit, da durch das Abholen neue potentielle Kunden das Geschäft kennenlernen.

Die Vielzahl an unterschiedlichen Ideen, die Amazon derzeit für die Warenzustellung testet, belegt, dass es im Bereich Logistik Nachbesserungsbedarf gibt. Den generischen Vorteil, über riesige Lagerflächen ein praktisch unbegrenztes Warensortiment vorhalten zu können, um es den Kunden dann bis an die Wohnungstür zu bringen, bezahlt Amazon mit einen enormen logistischen Aufwand. 

Das zeigt deutlich die Grenzen des Onlinehandels auf, insbesondere auf der letzten Meile. Die friedliche Koexistenz mit dem lokalen Einzelhandel könnte für beide Seiten eine nachhaltige und zukunftsträchtige Lösung bieten.