Amazon eröffnet kassenlosen Supermarkt

Unter der Bezeichnung Amazon Go Grocery erweitert der Universalkonzern sein Mikroshop-System Amazon Go. Als ersten Vertreter des neuen Geschäftszweigs eröffnet das Unternehmen nun in London einen größeren Supermarkt ohne Kassen.

Dass die 25 Filialen von Amazon Go in den USA vor allem Testcharakter haben, war abzusehen. Offenbar ging es darum, das neue Einzelhandelssystem in einer überschaubarer Formatierung bei lediglich 200 Quadratmetern Verkaufsfläche und einem stark abgespeckten Sortiment zu erproben. Überraschend ist nun der Start der großformatigen Umsetzung als Supermarkt außerhalb der Vereinigten Staaten.

Dennoch scheint es bei Amazon auch Pläne für kassenfreie Supermärkte in den USA zu geben. Immerhin gehört die Supermarktkette Whole Foods mit etwa 500 Filialen zum Amazon-Imperium. Bewährt sich das Konzept, dürften die Niederlassungen in absehbarer Zeit auf das Go-Konzept umgestellt werden.

Große Verkaufsflächen im Visier

Die Idee, das Shopping-Erlebnis im Supermarkt sowohl für den Kunden als auch den Betreiber markant zu verbessern, steckt hinter dem Konzept, auf die Kasse am Ende des Einkaufsvorgangs ganz zu verzichten. Was sich in den letzten beiden Jahren in den kleinen Amazon Go-Shops offenbar bewährt hat, soll nun in 1.000 Quadratmeter großen Märkten mit Vollsortiment zur Anwendung kommen.

Go Grocery-Filialen sind damit zwar immer noch deutlich kleiner als die großen Verbrauchermärkte wie Walmart, doch bietet das System damit eine praktikable Lösung für den Lebensmittelhandel im mittleren Bereich, beispielsweise für Supermärkte in Wohngebieten oder in innerstädtischen Arealen.

Bewährt sich das System auch hier, dürfte der nächste Schritt hin zu den Mega-Märkten mit Flächen bis zu 20.000 Quadratmetern nicht lange auf sich warten lassen. “Wir sehen keine Obergrenzen”, sagt dazu Dilip Kumar, bei Amazon verantwortlich für den Go-Bereich, gegenüber dem Wall Street Journal.

Supermarktkasse als logistischer Flaschenhals

Lange Schlangen vor den Kassen sind die Achillesferse des Supermarkt-Konzepts. Sie verlangsamen den Kaufvorgang, der ja im Selbstbedienungsmarkt eigentlich eine Beschleunigung mit sich bringen sollte, und hält das Personal davon ab, sich um den zügigen Nachschub, Ordnung und Sauberkeit in den Märkten zu kümmern.

Ein Amazon Go-Markt ist vollgestopft mit vernetzten Sensoren und Kameras. Sie lassen die Kunden keine Millisekunde aus den elektronischen Augen und halten jederzeit fest, welche Artikel er oder sie aus dem Regal nimmt oder wieder zurück stellt. Verlässt der Kunde den Ladenbereich, erfolgt die Schlussabrechnung, verbunden mit dem Zahlungsvorgang und der Übermittlung des Kaufbelegs an das Kunden-Smartphone.

Arbeitsplatzverlust gegen Servicequalität

Ein Supermarkt, der keine Kassenkräfte mehr benötigt, steht in dem Verdacht, die freiwerdenden Kapazitäten durch Personalabbau auszugleichen. Die zu Beginn von Amazon Go aufgekommene und mittlerweile wieder eingeschlafene Diskussion über dieses Thema bekommt nun durch die Anwendung in großen Märkten mit entsprechend viel Personal neue Nahrung.

Amazon wendet sich entschieden gegen diese Vermutung. Für die Mitarbeiter, die nicht mehr an der Supermarktkasse benötigt werden, stehen zahlreiche andere Aufgaben bereit, sagt dazu Dilip Kumar. So lassen sich die Angestellten verstärkt für Nachschub, Ordnung und Beratung einsetzen.

Expansion bereits eingeplant

Neben der unternehmenseigenen Whole Food-Kette plant Amazon noch weitere Supermarkt-Marken in den USA. Eine erste Filiale ist noch in diesem Jahr in Los Angeles geplant.

Darüber hinaus steht auch die Lizenzierung des Go-Systems auf dem Plan. So soll das Verkaufskonzept einschließlich technischer Infrastruktur auch anderen Ladenketten im Food– und Non-Food-Bereich zur Verfügung stehen.

In diesem Fall könnte die Amazonisierung unseres Planeten etwas Gutes bewirken: den Abschied vom Kassenband als dickes Ende des Shopping-Erlebnisses.