#Allesdichtmachen – Netzkampagne schießt am Ziel vorbei

Mit einer offenbar ironisch angelegten Kampagne auf YouTube und Instagram wollen 52 bekannte Schauspieler*innen wie Heike Makatsch, Ulrike Folkerts  oder Josef Liefers Kritik an der deutschen Corona-Politik äußern. Angesichts der Auswirkungen des Lockdowns auf deutsche Bühnen und die Filmindustrie scheint allerdings vor allem der Unmut über die eigene Situation im Vordergrund zu stehen.

Der durchgehende Tenor der 52 Videos ist Spott und Häme, vor allem gegen die aktuellen Lockdown-Maßnahmen. Vorschläge, wie es sich besser machen lässt, fehlen allerdings.

Querdenker-Philosophie und falsches Humorverständnis

Angesichts 80.000 der Pandemie geschuldeter Todesopfer erscheint die Spott-Kampagne gegen Maßnahmen, die auf Verbesserung der Lage ausgerichtet sind, nach Ansicht vieler Beobachter menschenverachtend und zynisch. Auch viele Schauspieler*innen äußern Unmut und Scham über die Aktion der 52 Kollegen und Kolleginnen.

Bedenklich sind die Inhalte, die auf Desinformation setzen, eine typische Strategie politischer Randgruppen. Wenn beispielsweise eine prominente Figur wie Heike Makatsch betont, die Corona-Maßnahmen strebten an, dass man nicht einmal mehr dem Essenslieferanten oder dem Paketboten die Tür öffnen könne, ist das eine bewusste Irreführung, die auf Manipulation der öffentlichen Meinung setzt.

Effekthascherei als dominierendes Prinzip

Populistische Züge nehmen Passagen in den Videos an, die auf Emotionalisierung setzen. Die ironische Forderung nach Schließung der Supermärkte von Ulrich Tukur oder die Aufforderung von Volker Bruch an die Bundesregierung „Macht uns mehr Angst“, weisen deutlich demagogische Züge auf.

Die Zynik in manchen Videos nimmt teilweise erschreckende Formen an. Ulrich Tukurs Spaß-Aufruf zur Schließung der Supermärkte gipfelt in dieser Argumentation: Wenn alle Menschen verhungert sind, könne sich niemand mehr anstecken.

Ansonsten enthalten die Videos über weite Strecken die typische Argumentation aus dem Querdenker-Milieu: Die Bundesregierung bediene sich autoritärer Mittel und die Presse sei gleichgeschaltet – das sind nur einige der extremen Archetypen aus den Videobotschaften.

Egoismus als Leitmotiv

Angst und Verbitterung bei den Protagonisten der darstellenden Künste sind berechtigt und verständlich. Die 52 Mitglieder der Aktion #Allesdichtmachen scheinen allerdings die Meinungsmacht ihrer Popularität nicht aus gesellschaftlichem Engagement, sondern aus reinem Selbstzweck in die Waagschale zu werfen. Offenbar geht es darum, eine öffentliche Stimmung zu erzeugen, die zur baldigen Öffnung der Bühnen und Filmstudios führen soll – ohne Rücksicht auf Verluste.

Diese Strategie scheint nicht aufzugehen. Unmut und Ablehnung gegenüber der Kampagne übersteigen deutlich die zustimmenden Lautäußerungen. Insbesondere aus dem Lager der Berufskolleg*innen kommt harsche Kritik. So distanzierte sich Elyas M’Barek noch in der Nacht von der Aktion seiner Kolleg*innen. Und Tobias Schlegl ätzt zurück: „Die Schauspieler*innen von #Allesdichtmachen können sich ihre Ironie gerne mal tief ins Beatmungsgerät schieben.“

Kleine Gruppe macht großen Lärm

Vergleichen mit der Gesamtzahl – in Deutschland leben und arbeiten rund 15.000 Schauspieler*innen – ist die 52 Personen umfassende Aktionsgruppe verschwindend klein. Dennoch ist die Aufmerksamkeit hoch, insbesondere in Kreisen am rechten politischen Rand und in der Querdenker-Szene.

Dieser gesellschaftlichen Verantwortung hätte sich die Gruppe vor dem Start der Aktion bewusst sein müssen, so die Meinung zahlreicher Medienexperten. Warum das nicht der Fall war, bringt ein bekannter Schauspieler auf den Punkt, der nicht genannt werden möchte:

„Besonders berühmt zu sein, bedeutet nicht zwangsläufig, auch besonders klug zu sein“, kommentiert der Darsteller das Geschehen und fügt seiner unter Pseudonym veröffentlichten Meinung den passenden Hashtag hinzu: #ohnegehirnüberleben.