Der Übergang von der familiären Pflege in eine betreute Wohnform
Rund 4,9 Millionen Menschen in Deutschland sind pflegebedürftig – und mehr als 80 % von ihnen leben laut Statistischem Bundesamt weiterhin zu Hause, überwiegend betreut durch Angehörige. Diese familiäre Pflege ist ein tragender Pfeiler der deutschen Versorgungslandschaft, doch sie hat Grenzen.
Wenn der Gesundheitszustand der Pflegebedürftigen sich verschlechtert oder pflegende Angehörige körperlich wie mental erschöpft sind, wird ein Übergang in eine betreute Wohnform notwendig. Diese Übergänge sind komplex – nicht nur organisatorisch, sondern auch emotional.
Stationäre Pflege: Rundumversorgung mit strukturellen Schwächen
Stationäre Pflegeeinrichtungen bieten Sicherheit und Rundumversorgung – doch ihr Konzept steht zunehmend in der Kritik. Viele Häuser sind architektonisch veraltet, mit langen Fluren und anonymen Großstrukturen, die wenig Wohnlichkeit und Gemeinschaft ermöglichen. Gleichzeitig belastet der akute Fachkräftemangel die Pflegequalität: Es bleibt kaum Zeit für persönliche Ansprache oder individuelle Bedürfnisse.
Sozialverbände und Fachleute bemängeln, dass klassische Pflegeheime oft zu stark auf Routine, Kontrolle und Standardisierung setzen – statt auf Teilhabe, Selbstbestimmung und ein aktivierendes Umfeld. Für viele Angehörige bedeutet der Umzug ins Heim nicht nur den Abschied vom vertrauten Zuhause, sondern auch einen gefühlten Kontrollverlust über das Wohl des geliebten Menschen.
Tagespflege: Entlastung im Tagesverlauf
Eine flexiblere Lösung bietet die Tagespflege. Hier verbringen Pflegebedürftige den Tag in professioneller Betreuung – mit Aktivitäten, Mahlzeiten und Pflegemaßnahmen – und kehren abends wieder nach Hause zurück.
Sie eignet sich besonders für Menschen mit einem mittleren Pflegegrad (2 oder 3), deren Betreuung tagsüber allein nicht mehr zu gewährleisten ist. Tagespflege bietet Angehörigen spürbare Entlastung, ohne dass die pflegebedürftige Person das gewohnte Umfeld dauerhaft aufgeben muss. Allerdings sind Kapazitäten in vielen Regionen begrenzt: In ländlichen Gebieten liegt die Versorgung laut einer Erhebung der Bertelsmann Stiftung zum Teil unter dem Bedarf.
Der Blick nach vorn: Ambulant betreute Wohngemeinschaften
Ambulant betreute Wohngemeinschaften (auch betitelt als Pflege-WGs) sind eine moderne Alternative zu klassischen Pflegeeinrichtungen und -heimen. In Klein(st)gruppen leben die WG-Nutzer gemeinsam in einer Wohnung oder einem Haus, jeder in einem eigenen Zimmer. Gemeinschaftsräume wie Küche, Wohnzimmer oder auch Terrasse oder Balkon werden gemeinsam genutzt. Die Pflege und Betreuung erfolgt ambulant, das heißt, Pflegekräfte kommen nach Bedarf in die WG oder sind rund um die Uhr vor Ort, ohne dass die Bewohner ihre Selbstständigkeit vollständig aufgeben müssen. Die Trennung von Wohn- und Pflegevertrag gibt den Bewohnern zusätzliche Flexibilität und Einflussmöglichkeiten.
Studien zeigen: Ambulant betreute Wohngemeinschaften fördern soziale Teilhabe, wirken dem Gefühl von Vereinsamung entgegen und ermöglichen ein hohes Maß an Selbstbestimmung – bei gleichzeitig professioneller Versorgung.
Wenn Pflege zu Hause nicht mehr geht
Frühzeitige Planung schützt vor Überforderung
Ein gelingender Übergang beginnt idealerweise lange vor der Problemsituation. Pflegeberatungsstellen, Pflegestützpunkte und spezialisierte Anbieter und Träger können unterstützen, passende Wohn- und Pflegeformen zu evaluieren. Wer sich rechtzeitig informiert, Besichtigungen durchführt und den Angehörigen ein Mitspracherecht einräumt, schafft Vertrauen – und vermeidet im Ernstfall überhastete Entscheidungen.
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