TV-Triell: Einigkeit bei Corona, Gezänk beim Klima

Die neue Form der politischen Kandidatenkür vor einer Wahl, das Streitgespräch zwischen drei Anwärtern, ging als Kooperation von RTL und ntv über die Bühne. Auch mit drei Diskutanten hält sich der Erkenntnisgewinn allerdings in Grenzen.

Die Diskussionskultur profitiert von der Konstellation mit drei Gesprächsteilnehmern. Der Gesprächsstil ist kontroverser, bleibt dabei trotzdem in sachlichen Grenzen. Über die Verlautbarung der offiziellen Parteipositionen kommen die Protagonisten Armin Laschet, Annalena Baerbock und Olaf Scholz allerdings nicht hinaus.

Die Kommunikationsstrategien orientieren sich bei zwei der Diskutanten vor allem an den Defiziten, die sich bei ihnen bisher eingestellt hatten, während der dritte aus einer Position der Ruhe operiert: Armin Laschet, dessen Zustimmungswerte sich aktuell auf einem Tiefpunkt befinden, versucht durch Angriffslust Boden gut zu machen. Annalena Baerbock legt den Fokus weg von ihren persönlichen Verfehlungen auf die Sachthemen, und Olaf Scholz findet einen Weg, die Diskussion in bester Merkel-Manier durch souveränes auflaufen lassen auszusitzen.

Gemeinsame Haltung bei Corona

Zumindest auf den ersten Blick demonstrieren alle drei Kandidaten Einigkeit bei den erforderlichen Maßnahmen gegen Corona. An erster Stelle steht auch weiterhin die Ablehnung der Impfpflicht, wobei die Grünen-Kandidatin durch rhetorische Spitzfindigkeiten ein gewisses Maß an Relativierung in ihre Statements einfließen lässt.

Auch zu künftigen Lockdowns ist von allen Seiten ein deutliches Nein zu vernehmen. Ebenso befürworten alle drei Gesprächsteilnehmer die Maskenpflicht über den Winter hinweg. Während Annalena Baerbock der Koalition Versäumnisse bei der Versorgung der Schulen vorhält – insbesondere bei der schleppenden Ausstattung mit Luftfiltern – erinnert Armin Laschet die Grünen-Kandidatin daran, dass ihre Partei als Mitregierende in zahlreichen Bundesländern und Teilnehmer an der Ministerpräsidentenkonferenz für die geltenden Corona-Maßnahmen mitverantwortlich ist.

Bei der Klimapolitik tun sich Gräben auf

Darüber, dass Klimaschutz ein vordringliches politisches Ziel ist, herrscht bei allen Diskutanten Einigkeit. Doch bei den Ideen, wie das Ziel zu erreichen ist, bestehen fundamentale Meinungsverschiedenheiten. Vorherrschender Tenor bei Laschet und Scholz: nur nicht festlegen.

Naturgemäß haben die Grünen zum Thema Klima am meisten zu sagen. Da ist von einer Pflicht zur Installation von Solaranlagen bei Neubauten die Rede. Auch das endgültige Aus des Verbrennungsmotors bis 2030 steht im Parteiprogramm der Grünen. Zudem soll der zügige Ausbau des Zugverkehrs den inländischen Flugverkehr nach und nach ersetzen. Besonders letzteres stößt den Spitzenkandidaten von CDU und SPD bitter auf: Sie möchten Inlandsflüge auch in Zukunft erhalten.

Vage bleibt es bei den Regierungsparteien auch bei konkreten Äußerungen zum Ausbau der Erneuerbaren Energien. Laschets Null-Informations-Rhetorik des „Ich sage, dass ich nichts sage“, steht die bedächtige Abwartestrategie von Olaf Scholz gegenüber. Demnach müsse man zunächst einmal ermitteln, wie hoch der Strombedarf im Jahr 2045 überhaupt sei. Erst dann ließen sich konkrete Ausbauziele formulieren.

Kein eindeutiger Gewinner

Im Grunde erfüllen alle drei Kandidaten die in sie gesetzten Erwartungen, sowohl im positiven als auch im negativen Sinn. Aus der Diskussion geht kein eindeutiger Sieger hervor, da die Anhängerschaft der drei Parteien unterschiedliche Erwartungsprofile an ihre Kandidaten hat.

Wer auf eine ruhige, präsidiale Amtsführung ohne große Überraschungen setzt, wird Olaf Scholz als Sieger der Diskussion wahrnehmen. Er setzt die langjährige Tradition des Abwarten und Tee trinken von Angelika Merkel quasi verlustfrei fort. Möglicherweise ist genau das die Wahlkampfstrategie der SPD: Olaf Scholz als neue Angelika Merkel und damit ein Hafen der Ruhe für von Laschet enttäuschte CDU-Wähler.

Armin Laschet erfüllt vor allem die Erwartungen seines Parteivorstands, der ihn für die Diskussion auf Angriff gebürstet hat. Es gilt, die Debakel der jüngsten Vergangenheit vergessen zu machen. Ob die Wählerschaft dem folgt, bleibt abzuwarten.

Annalena Baerbock erfüllt die Erwartungen derjenigen in ihrer Partei, die in ihr die große Hoffnung grüner Politik sehen und durch die konsequente Hinwendung zu den Sachthemen vergangene Fehler vergessen machen wollen. Es gibt Anzeichen dafür, dass ihr zumindest Angehörige der eigenen Partei auf diesem Weg folgen werden.