TikTok: Die Zukunft der Kurzvideo-Plattform in den USA bleibt weiter ungewiss

TikTok bleibt weiterhin ein Spielball zwischen wirtschaftlichen Interessen, geopolitischen Spannungen und datenschutzrechtlichen Bedenken. Obwohl ein US-Gesetz den Betrieb der populären Video-App in ihrer jetzigen Form untersagt, ist TikTok auch nach Ablauf der Frist am 5. April 2025 weiterhin über App-Stores in den USA verfügbar. Die Unsicherheit über die Zukunft der Plattform bleibt jedoch bestehen. Denn ein Verkauf des US-Geschäfts ist nach wie vor nicht abgeschlossen – und eine endgültige Entscheidung wurde nun auf Mitte Juni vertagt.

Die US-Regierung unter Donald Trump, der seit seiner Rückkehr ins politische Rampenlicht wieder massiv Einfluss auf Technologiepolitik nimmt, gewährte TikTok eine weitere Schonfrist. Der Shutdown, der laut Gesetz eigentlich im Januar hätte erfolgen müssen, wurde zunächst auf April verschoben – nun folgt ein zusätzlicher Aufschub von 75 Tagen. Trump begründet die Entscheidung mit „signifikanten Fortschritten“ in den Verkaufsverhandlungen, auch wenn es weiterhin erhebliche Differenzen zwischen den Beteiligten gibt.

Ein kompliziertes Konstrukt im Hintergrund

Im Raum steht ein Szenario, bei dem das US-Geschäft von TikTok in ein neues Unternehmen überführt werden soll – mehrheitlich im Besitz amerikanischer Investoren. ByteDance, der chinesische Mutterkonzern, dürfte in diesem Fall einen Minderheitsanteil von unter 20 Prozent behalten. Ein solches Modell wurde bereits weitgehend zwischen ByteDance, US-Regierung und interessierten Investoren abgestimmt. Doch kurz vor dem Ziel stoppte China den Fortschritt – offenbar als direkte Reaktion auf eine neue Runde von US-Strafzöllen auf chinesische Produkte.

Trump hat die Zölle auf Importe aus China zuletzt um 34 Prozentpunkte erhöht, was die Gesamtrate auf 54 Prozent steigen ließ. Peking reagierte prompt mit eigenen wirtschaftlichen Gegenmaßnahmen. Diese Eskalation im Handelsstreit scheint nun direkte Auswirkungen auf die Gespräche um TikTok zu haben. Insidern zufolge war China zunächst bereit, einer Struktur zuzustimmen, die ByteDance nur noch eine Minderheitsbeteiligung zusichert. Nach der Zollentscheidung zog die chinesische Regierung jedoch ihre Zustimmung zurück.

Donald Trump hat angedeutet, dass eine Reduzierung der US-Zölle auf chinesische Waren als Gegenleistung für eine Zustimmung Chinas zum TikTok-Deal infrage kommt. In seinen Posts auf Truth Social zeigt sich der ehemalige Präsident optimistisch. Zwar wolle er TikTok nicht vom US-Markt verbannen, doch die nationale Sicherheit und wirtschaftliche Interessen der Vereinigten Staaten hätten Vorrang. Damit werden wirtschaftliche Instrumente zunehmend als Druckmittel in einer politisch und wirtschaftlich aufgeladenen Auseinandersetzung eingesetzt.

Politischer Zwang trifft wirtschaftliche Realität

Der US-Kongress hatte bereits 2024 ein Gesetz verabschiedet, das TikToks chinesischer Muttergesellschaft den Verkauf des US-Geschäfts vorschreibt. Grund sind Sicherheitsbedenken – konkret geht es um die mögliche Einflussnahme der chinesischen Regierung auf Inhalte sowie um Datenschutzrisiken. ByteDance und Peking weisen diese Vorwürfe vehement zurück. Dennoch besteht in den USA parteiübergreifend Konsens darüber, dass TikTok in seiner derzeitigen Form ein Risiko darstelle.

Während politische Spannungen dominieren, unterstreicht TikTok seine wirtschaftliche Bedeutung. Eine von TikTok zitierte Studie von Oxford Economics zeigt: Rund 7,5 Millionen US-Unternehmen nutzten die Plattform im Jahr 2024, um insgesamt über 28 Millionen Arbeitsplätze zu unterstützen. Besonders kleine und mittlere Unternehmen profitieren von der organischen Reichweite und der Werbeinfrastruktur der App.

Auch für Verbraucher ist TikTok längst mehr als nur eine Unterhaltungsplattform. Der TikTok Shop, der Shopping direkt mit kurzen Videos verbindet, ist in den USA ein wichtiges Element des Social Commerce geworden. Dies macht die App zu einem bedeutenden Player in der amerikanischen Plattformökonomie – und erklärt, warum ein vollständiges Verbot nicht nur politische, sondern auch wirtschaftliche Konsequenzen hätte.

Viele potenzielle Käufer – aber keine Lösung

Auf Käuferseite gibt es zahlreiche Interessenten: Von Tech-Riesen wie Amazon, Microsoft und Oracle bis hin zu Finanzinvestoren wie Blackstone, Andreessen Horowitz oder KKR. Auch der Name des Milliardärs Frank McCourt taucht immer wieder auf, ebenso wie das Start-up Perplexity, das gemeinsam mit US-Investoren an einer Übernahme interessiert sein soll.

Die Herausforderung: ByteDance lehnt nach wie vor eine vollständige Abgabe des US-Geschäfts inklusive des zugrunde liegenden Algorithmus ab – der wohl das wertvollste Asset der Plattform darstellt. TikTok betont, dass eine Trennung des US-Teils technisch und wirtschaftlich kaum umsetzbar sei. Dennoch sucht Trump nach einem Modell, bei dem der Algorithmus in den USA verbleibt, ohne die Plattform zu zerschlagen.

App bleibt – aber wie lange noch?

Obwohl die Frist bereits mehrfach verlängert wurde, bleibt TikTok in den App Stores von Apple und Google zugänglich. Hintergrund sind rechtliche Zusicherungen des US-Justizministeriums, das Anbieter wie Apple und Google vor Konsequenzen schützt. Gleichzeitig herrscht in der US-Tech-Industrie wie auch in der Politik ein zunehmendes Gefühl der Dringlichkeit – denn eine dauerhafte Lösung steht weiterhin aus.

Interessant ist auch die Rolle Donald Trumps in dieser Entwicklung. Während er TikTok noch während seiner ersten Amtszeit scharf kritisierte, scheint er nun einen pragmatischeren Kurs zu verfolgen. Auch wirtschaftliche Erwägungen könnten hier eine Rolle spielen: TikTok war insbesondere bei jungen Wählern ein zentrales Kommunikationsmittel, das maßgeblich zur Mobilisierung beitrug. Der Spagat zwischen sicherheitspolitischer Härte und wirtschaftlichem Realismus prägt nun seine Strategie.

Mit dem aktuellen Aufschub bis Mitte Juni bleibt etwas Zeit – allerdings schrumpft der Spielraum für Kompromisse. Sollte es bis dahin keine Einigung geben, droht erneut ein vollständiges Verbot der Plattform. Gleichzeitig bleibt offen, ob eine Einigung ohne Einbindung und Zustimmung der chinesischen Regierung überhaupt realistisch ist. Denn TikTok ist längst nicht nur ein Unterhaltungsangebot – es ist ein geopolitischer Faktor geworden, der nationale Sicherheit, wirtschaftliche Interessen und digitale Souveränität miteinander verknüpft.

Die Auseinandersetzung um TikTok in den USA ist exemplarisch für die neue digitale Weltordnung, in der Plattformen nicht nur ökonomisch, sondern auch strategisch relevant sind. Was als App für Tanzvideos begann, hat sich zu einem Symbol für die Frage entwickelt, wie viel Kontrolle Staaten über digitale Infrastrukturen behalten – oder aufgeben wollen. Das Rennen um TikToks US-Geschäft bleibt damit auch ein Gradmesser für die globale Machtverschiebung im digitalen Zeitalter.

Weiterführende Beiträge