Thalia: Innovative Strategien zur Umsatzsteigerung in einem herausfordernden Markt
In den letzten Jahren hat der Buchhandel in Deutschland mit erheblichen Herausforderungen zu kämpfen gehabt. Trotz eines gesamtgesellschaftlichen Trends hin zu weniger Lesekompetenz und sinkenden Verkaufszahlen ist es der Buchhandelskette Thalia gelungen, im Geschäftsjahr 2023/24 den Umsatz um beeindruckende acht Prozent auf etwa 1,9 Milliarden Euro zu steigern. Thalia-Chef Ingo Kretzschmar führt diesen Erfolg auf eine vielschichtige Strategie zurück, die neben dem klassischen Buchverkauf auch neue Formate und Kanäle umfasst.
Marktumfeld und Herausforderungen
Die Situation im deutschen Buchmarkt ist angespannt. Laut dem Börsenverein des deutschen Buchhandels stieg der Umsatz im gesamten Buchhandel im vergangenen Jahr lediglich durch Preiserhöhungen um 2,8 Prozent auf 9,71 Milliarden Euro, während der Absatz um 1,9 Prozent zurückging. „In der Gesellschaft wird insgesamt weniger gelesen“, erklärt Kretzschmar, der zugleich die Unsicherheiten der Konsumenten als zentrale Herausforderung erkennt. Diese Marktentwicklung führte dazu, dass zahlreiche unabhängige Buchhandlungen schließen mussten, darunter auch die Kette Weltbild, die Insolvenz anmeldete.
Trotz dieser widrigen Umstände hat Thalia das Potenzial erkannt, das in der Schließung anderer Geschäfte liegt. „Wir wollen weiter wachsen und stehen bereit, wenn sich Möglichkeiten ergeben, Buchhandlungen zu übernehmen“, sagt Kretzschmar. So wurde das E-Commerce-Geschäft von Weltbild in Form von Kundenbeziehungen und der Marke Tolino erfolgreich integriert, was Thalia in eine stärkere Marktposition brachte.
Eine umfassende Omnichannel-Strategie
Thalia verfolgt eine konsequente Omnichannel-Strategie, die sowohl das stationäre Geschäft als auch den Online-Handel umfasst. Mit einem Umsatzanteil von 35 Prozent aus dem Onlineverkauf ist die Buchhandelskette gut aufgestellt, um dem wachsenden Trend zum digitalen Einkauf zu begegnen. Kretzschmar hebt hervor, dass der Vorteil der Buchhändler im Vergleich zu reinen Online-Anbietern wie Amazon in der Kombination von Online- und Offline-Angeboten liegt. Besonders die Möglichkeit der Abholung in der Buchhandlung erfreut sich großer Beliebtheit.
Darüber hinaus zeigt sich, dass das gedruckte Buch trotz der Konkurrenz durch E-Books nach wie vor eine starke Nachfrage erfährt. Der Umsatzanteil von E-Books stagniert seit Jahren bei etwa sechs Prozent, während Thalia im digitalen Segment durch den neuen Tolino E-Reader mit farbigem Display eine Umsatzsteigerung von über 80 Prozent verzeichnen konnte. „Wir haben eine neue Evolutionsstufe erreicht“, so Kretzschmar.
Engagement in sozialen Medien und neue Zielgruppen
Ein zentraler Bestandteil von Thalias Strategie ist die gezielte Ansprache jüngerer Leser, insbesondere über soziale Medien wie TikTok und Instagram. Kretzschmar beobachtet eine bemerkenswerte Rückkehr von jungen Frauen in die Buchhandlungen. Diese Zielgruppe sucht gezielt nach bestimmten Genres wie Young Adult, Fantasy und Englischsprachigen Büchern. „Die Book-Tok-Charts sind die Bestseller-Listen von morgen“, erklärt Kretzschmar. Thalia hat die Trends frühzeitig erkannt und bietet die entsprechenden Bücher sowohl online als auch in den Geschäften an.
Neben den sozialen Medien setzt Thalia auch auf eine Vielzahl von Veranstaltungen, um die Lesekultur zu fördern. Über 6.500 Events wurden im vergangenen Jahr in den Filialen angeboten, wobei interaktive Formate den traditionellen Lesungen vorgezogen werden. Schulklassen sind aktiv in die Gestaltung von Buchausstellungen eingebunden und veranstalten sogar Übernachtungs-Events in den Geschäften.
Diversifizierung des Sortiments
Um den Umsatz weiter zu steigern, hat Thalia auch das Sortiment diversifiziert. Neben Büchern werden zunehmend Spielwaren und Geschenkartikel angeboten. Rund 11 Prozent des Umsatzes entfallen mittlerweile auf diese Non-Book-Kategorien. Kretzschmar erklärt, dass die wachsende Bedeutung von Spielwaren auch dadurch bedingt ist, dass viele klassische Spielwarengeschäfte in den Innenstädten verschwunden sind. Thalia nutzt diese Gelegenheit, um Themenwelten für Kinder und Jugendliche zu schaffen, die über das Buch hinausgehen.
Darüber hinaus wurde das Partnermodell für unabhängige Buchhandlungen weiter ausgebaut. Thalia bietet diesen Buchhandlungen Dienstleistungen im Bereich Warenwirtschaft und digitale Infrastruktur an, was beiden Seiten zugutekommt. „Der Buchhandel hat Zukunft, wenn er innovativ und anpassungsfähig bleibt“, betont Kretzschmar.
Ausblick und Herausforderungen
Die kommenden Jahre werden für den Buchhandel weiterhin herausfordernd sein. Kretzschmar prognostiziert eine weitere Konsolidierung in der Branche. Die Preissteigerungen werden nicht ausreichen, um die gestiegenen Kosten zu kompensieren, was besonders für kleine, unabhängige Buchhandlungen problematisch sein wird. „Es wäre schade, wenn wir die Vielfalt der unabhängigen Buchhändler verlieren würden“, äußert er.
Um die Präsenz der Marke Thalia weiter zu stärken, investiert das Unternehmen in den Umbau und die Modernisierung seiner Filialen. Eine umfassende Neugestaltung der Großfiliale am Kölner Neumarkt ist bereits in Planung.