Technische Gebäudeausstattung, politische Lage und Nachhaltigkeit – ein Interview mit dem Fachexperten Alexander Paas
Hr. Alexander Paas, Sie sind als Fachplaner im Bereich Technischer Gebäudeausstattung bekannt, Schwerpunkt Haustechnik: Ihr Arbeitsbereich ist aktuell ja mehr denn je gefragt. Wie sind Sie auf die ehrgeizigen Nachhaltigkeits-Projekte von Politik und Gesellschaft eingestellt?
Alexander Paas: Die TGA-Planung war, da haben Sie völlig recht, bereits seit Jahren Vorreiter in diesem Gebiet. Besonders die Energieeffizienz beschäftigt uns seit Jahren, denn hier ist die Nachfrage groß. Das betrifft im übrigen die Bau-Projektplanung insgesamt. Nachhaltigkeit heißt für die Menschen nicht nur, dass autarke Stromsysteme verbaut werden können oder LED-Lampen im Bad blinken. Es gibt hohe Ansprüche an die Wohn-, Arbeits- und Lebensqualität von Immobilien. Menschen wollen einen guten Fluss gewährleisten zwischen Homeoffice, (offenen) Büros, Aufenthaltsorten, allgemeiner: Privat- und Berufsleben. Darüber hinaus soll sich die Nachhaltigkeit auch in der Gestaltung reflektieren, da sind also auch die Architekten gefragt. Wir als TGA-Planer sind natürlich am Ende für die harten Fakten zuständig: Unsere Heiz- und Strom-, Wasser- und Sanitär-, Luft- und Automationssysteme sind ein erhebliches Kriterium dafür, ob ein Gebäude nur nachhaltig aussieht oder auch ist. Daher bin ich natürlich auch ganz persönlich hinterher, mich immer hinsichtlich der technischen, rechtlichen und politischen Bedingungen unserer Arbeit auf dem Laufenden zu halten. So viel sei gesagt: Die nächsten Jahre werden – vor allem an dieser Front – nicht langweilig!
Da sind wir mitten im Thema: Was sind denn die Kriterien gelingender nachhaltiger Ausstattung und entsprechenden Baudesigns allgemein?
Alexander Paas: Nachhaltigkeit beim Bauen beginnt bereits in der Frühphase. Deswegen ist die Projektplanung so entscheidend. Schon bei der Materialbeschaffung und -nutzung kann ökonomisch gearbeitet werden, sowohl was die genutzten Ressourcen anbetrifft als auch deren Einsatz als Baustoff. Hier sind natürlich auch die zuliefernden Industrien gefragt, aber wir als Planer haben dabei natürlich Spielräume, zum Beispiel auch für die Zusammenarbeit mit regionalen Anbietern. Auch hier ist bereits Energieeffizienz gefragt, Materialbehandlung (ohne Pestizide zum Beispiel) und Einsatzgebiet: Mittlerweile gibt es eine ganze Palette an Baustoffen, die multifunktional sind im Sinne nachhaltiger Bedürfnisse. Es fängt in der Materialgewinnung an, hat aber, zum Beispiel durch Dämmeigenschaften, langfristig Auswirkungen auf die Wohn- und Nutzungsqualität im Gebäude. Darüber hinaus natürlich die offensichtlichen Dinge: Wasser-, Energie- und Heizwirtschaft des Objekts, Fenster- und Lichtquellen, nicht zuletzt die Ergonomie des Raums. Es muss der Baubranche mittlerweile eben immer auch darum gehen, nicht nur menschenkompatibel, sondern auch menschenfreundlich zu bauen: Bei der Arbeit wünschen sich Unternehmen und deren Mitarbeiter mittlerweile Verweilorte zur Regeneration, das behauptete „Grün“ des Gebäudes muss auch durch Bepflanzung sichtbar werden und so weiter. Das alles sind wichtige Elemente, die immer akribischer werden, je mehr man in die tatsächlichen Bewertungs- und Zertifikatskriterien, aber vor allem auch die technischen Details geht.
Was ist Ihr persönlicher Anspruch dabei? Warum machen Sie sich für diese Dinge verantwortlich?
Alexander Paas: Dieses Thema ist in unserer Branche gar nicht mehr verhandelbar. Ich will mich da also nicht selbst in den Himmel loben. Aber tatsächlich sehe ich es auch als persönlichen Auftrag, denn ich bin immerhin ein Protagonist dieses Fachgebiets und damit für meinen beziehungsweise den unsrigen Anteil mitverantwortlich. Es ist vor allem der Umstand, dass fachfremde Menschen nicht so ohne Weiteres gewährleisten können, was wir als Experten beisteuern. Die Politik kann Rahmenbedingungen schaffen, aber sie installieren nicht den Aufzug oder den Fensterrahmen. Es wäre meinerseits eher vermessen, mich dieser Entwicklung zu verweigern.
Apropos politische Bedingungen: Wie schätzen Sie die Beihilfe der Politik denn ein?
Alexander Paas: Die Ambitionen der Regierung sind gewaltig: klimaneutral bis in die 2040er/50er-Jahre. Dafür wurden entsprechende Qualitäts- und Bewertungssysteme geschaffen. Direkt vorweg: Die Politiker haben hier der Sache nach eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, denn der Immobilien-, besonders der Wohnungsmarkt ist ja rein dem Bedarf nach völlig unterversorgt. Es fehlen hunderttausende Wohnungen, und die sollen dann eben auch nachhaltig gebaut und betrieben werden und bezahlbar bleiben. Zudem ist die eigentliche Relevanz der Branche nicht zu unterschätzen: Je nach Schätzung werden 35 bis 40 % der Treibhausgasemissionen auf den Gebäudebereich zurückgeführt. Die Politik hat dafür in Orientierung an den 17 Nachhaltigkeitszielen der UN (SDGs) eine „Nationale Nachhaltigkeitsstrategie“ entwickelt. Zwei maßgebliche Instrumente des Bundes sind dabei der „Leitfaden Nachhaltiges Bauen“ und das „Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen“. Durch sie soll die Umsetzung der Ziele auf bundesweiter und regionaler Ebene gewährleistet werden. Das Monitoring und die Weiterentwicklung dieser Standards obliegt dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung. Grundsätzlich finde ich es gut, dass die Bauwirtschaft direkte Ansprechpartner und klare Leitlinien für ihren gesellschaftlichen Auftrag bekommt – selbstverständlich stellen sich die Dinge auf der konkreten Umsetzungsebene dann immer noch etwas anders dar. Mit einem Augenzwinkern gesprochen: Wir reihen uns ein bei den vielen, vielen Interessengruppen, die gerne noch mehr Zuwendung erfahren würden.
Was ist Ihr eigenes Selbstverständnis gegenüber Ihren Kunden? Kollidieren die sozialen Ansprüche manchmal mit den wirtschaftlichen?
Alexander Paas: Meine Projektpartner haben großes Verständnis für die aktuellen Entwicklungen und sind darin selber involviert. Natürlich: Viele der gewünschten Erneuerungen kosten mehr Geld, mehr Zeit, mehr Einsatz. Aber wir sind es mittlerweile als Fachmarkt gewöhnt, in größeren Zyklen zu denken. Der gesellschaftliche Mehrwert findet ja außerdem nicht nur auf rein faktischer Ebene statt, sondern bedeutet für die Abnehmer auch eine positive Reputation. Ich selbst habe es mir dabei zum Credo gemacht, als Vermittler zwischen den Instanzen aufzutreten. Ich bin kein „Anwalt“ einer der beiden Seiten, sondern ein Dolmetscher. Ich zeige, was nötig ist, ich lasse wissen, was möglich ist und ich helfe dabei, die richtige Balance zu finden. Auch hier geht es immer ganz wesentlich darum, dem Kunden zu zeigen, was bestimmte Ideen oder gar Ideale in der technischen Umsetzungspraxis bedeuten: Welcher Zulieferer kann bestimmte Standards überhaupt gewährleisten? Was ist das Angebotsspektrum, um ein spezifisches Problem zu lösen? Ich mag es persönlich nicht, in diesen Sachen zu abstrakt zu bleiben, und entsprechende Fortschritte auf Powerpoint-Präsentationen zu beschränken. Wir müssen die Nachhaltigkeit Stein für Stein auf den Boden bringen, da braucht es ganz klare Leitlinien, besonders für diejenigen, die das Ganze bezahlen sollen.
Hr. Paas, wir danken Ihnen für Ihre Zeit und Ihre Offenheit.
Alexander Paas: Auch Ihnen vielen Dank für die Gelegenheit, bei Ihnen zu sprechen.