Problem Lehrermangel: Mehrarbeit und Ruheständler sollen die Lösung sein

Trotz zahlreicher Reformen und finanzieller Anreize bleibt der Lehrermangel in Sachsen ein akutes Problem. Laut dem sächsischen Kultusministerium fehlen weiterhin rund 1900 Lehrkräfte, insbesondere im ländlichen Raum, wo die Unterrichtsversorgung teils nur zu 70 Prozent gewährleistet werden kann. In einem umfassenden Maßnahmenpaket, das Kultusminister Conrad Clemens (CDU) dem Kabinett vorgelegt hat, sollen bestehende Ressourcen effizienter genutzt und der Lehrerberuf attraktiver gestaltet werden.

Ein zentraler Punkt des Plans betrifft die Reform der sogenannten Altersermäßigung für Lehrer. Bislang erhielten Lehrer ab dem Alter von 58 Jahren eine Stundenreduktion, die nun erst ab 63 Jahren greifen soll. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kritisiert diesen Schritt als unzumutbare Belastung für erfahrene Lehrkräfte, die sich ohnehin bereits durch jahrelange Versäumnisse der Politik belastet sehen. Die Reformen könnten dazu führen, dass noch mehr Lehrkräfte frühzeitig in den Ruhestand treten, anstatt länger im Dienst zu bleiben.

Junge Lehrer und Seiteneinsteiger als Lösung?

Um den Lehrerbedarf kurzfristig zu decken, sollen jüngere Lehrkräfte mehr Stunden leisten können, wobei Überstunden auf einem Zeitkonto für die Zukunft gespeichert werden. Zudem wird der Einstieg in den Lehrerberuf für Seiteneinsteiger erleichtert. Studierende sollen früher in den Schulalltag integriert und Hortangebote von Schulassistenten statt Lehrern koordiniert werden. Auch Reformen bei den Deutsch-als-Zweitsprache-Klassen (DAZ) sollen Lehrkräfte entlasten.

Das Ministerium rechnet damit, durch diese Maßnahmen rechnerisch 790 neue Lehrerstellen zu gewinnen. Eine weitere kontroverse Neuerung ist die mögliche Versetzung von Lehrern an Schulen mit besonders großem Bedarf, was bedeutet, dass Gymnasiallehrer auch an Oberschulen unterrichten könnten. Die GEW kritisiert dies als riskante Strategie, die die Attraktivität des Lehrerberufs weiter senken könnte.

Die Arbeitszeit der Lehrer: Wie hoch ist die Belastung wirklich?

Eine aktuelle Arbeitszeitstudie des Kultusministeriums zeigt, dass sächsische Lehrer in Schulwochen durchschnittlich etwas mehr als 40 Stunden arbeiten. Der Soll-Wert für eine Vollzeitstelle, inklusive der Ferienzeiten, liegt bei 35 Stunden pro Woche. Dennoch sehen viele Lehrkräfte große Probleme in der Zeitverteilung: Ein erheblicher Teil der Arbeitszeit fließt in Verwaltungs- und Dokumentationsaufgaben statt in den eigentlichen Unterricht.

Laut Umfragen bemängeln 78 Prozent der Lehrer die umfassenden Dokumentationspflichten, während 91 Prozent angeben, dass die individuellen Anforderungen der Schüler eine erhebliche Mehrbelastung darstellen. Eine Reduzierung dieser organisatorischen Aufgaben könnte helfen, die Lehrer zu entlasten und den Fokus wieder stärker auf die direkte Wissensvermittlung zu legen.

Neben dem Mangel an angestellten Lehrkräften gibt es eine weitere Krise im Bildungssektor: Die Unsicherheit für selbständige Lehrkräfte. Ein Urteil des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 2022 sorgte für erhebliche Verunsicherung unter Honorarkräften. Eine Musiklehrerin, die jahrelang auf Honorarbasis an einer kommunalen Musikschule gearbeitet hatte, wurde nachträglich als sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmerin eingestuft. Die Entscheidung führte dazu, dass die Deutsche Rentenversicherung ihre Prüfpraxis verschärfte, was viele Bildungseinrichtungen dazu zwang, ihre Arbeitsverhältnisse zu überdenken.

Gefahr für das Weiterbildungsangebot?

An den deutschen Volkshochschulen arbeiten derzeit etwa 190.000 Honorarkräfte. Eine Umstellung auf Festanstellungen könnte dazu führen, dass das Kursangebot massiv reduziert werden muss. Anstelle von zehn bis 15 Sprachen könnten mittlere oder große Volkshochschulen in Zukunft nur noch zwei oder drei anbieten. Besonders Integrationskurse und Programme in Politik, Gesellschaft und Umwelt wären betroffen.

Die aktuellen Entwicklungen im Bildungsbereich zeigen, dass sowohl der akute Lehrermangel in Sachsen als auch die drohende Neuregelung für Honorarkräfte tiefgreifende Auswirkungen auf das Bildungssystem haben könnten. Wie sich diese Maßnahmen langfristig auswirken werden, bleibt abzuwarten.

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