Milliardenofferte für Deliveroo: DoorDash plant Übernahme
Die internationale Lieferdienstbranche erlebt eine weitere bedeutende Konsolidierungsbewegung: Das US-amerikanische Unternehmen DoorDash hat ein milliardenschweres Übernahmeangebot für den britischen Konkurrenten Deliveroo unterbreitet. Wie Deliveroo bestätigte, liegt der Preis pro Aktie bei 180 Pence, was einer Unternehmensbewertung von etwa 2,7 Milliarden Pfund bzw. 3,6 Milliarden Dollar entspricht. Die Nachricht ließ die Aktie von Deliveroo um mehr als 18 Prozent steigen – der höchste Tagesanstieg seit 2021.
Deliveroo empfiehlt seinen Aktionären, das Angebot anzunehmen, sofern ein endgültiges, verbindliches Angebot zustande kommt. DoorDash bleibt derweil flexibel und behält sich ausdrücklich vor, Preis und Struktur der Offerte anzupassen – insbesondere, falls konkurrierende Angebote auftauchen sollten oder sich die finanziellen Rahmenbedingungen ändern.
Bereits im Vorjahr hatte es Annäherungen zwischen DoorDash und Deliveroo gegeben. Damals scheiterten die Gespräche jedoch an unterschiedlichen Vorstellungen über die Unternehmensbewertung. Mit der aktuellen Offerte scheinen die Hürden überwunden: Beide Seiten befinden sich inzwischen in intensiven Verhandlungen, wobei Deliveroo DoorDash bereits umfassenden Einblick in seine Geschäftszahlen gewährt hat.
Entscheidend ist dabei eine Frist gemäß britischem Übernahmerecht: Bis spätestens zum 23. Mai 2025 muss DoorDash ein verbindliches Angebot vorlegen oder erklären, von einer Übernahme Abstand zu nehmen. Eine Verlängerung dieser Frist wäre nur mit Zustimmung der britischen Aufsichtsbehörden möglich.
Wettbewerb am Markt verschärft sich
Deliveroo, 2013 in London gegründet, zählt zu den wichtigsten Namen im europäischen Lebensmittelliefersektor. Das Unternehmen betreibt eine hyperlokale Plattform, die Restaurants, Einzelhändler, Kunden und Kuriere miteinander vernetzt – mit dem Anspruch, Lieferungen oft innerhalb von 30 Minuten zu ermöglichen.
Trotz des rasanten Wachstums ab 2015 und einer Amazon-Investition über 575 Millionen Dollar im Jahr 2019 verlief der Börsengang im Jahr 2021 enttäuschend. Am ersten Handelstag verlor die Aktie mehr als ein Viertel ihres Wertes, was Deliveroo seither mit Kursverlusten und anhaltender Marktunsicherheit belastet.
Mittlerweile liegt der Aktienkurs über 60 Prozent unter dem Ausgabepreis, auch wenn Deliveroo in den vergangenen Monaten durch Kostensenkungen, Marktbereinigungen und eine strategische Neuausrichtung wieder Boden gutmachen konnte. Im Jahr 2024 erzielte das Unternehmen erstmals einen vollständigen Jahresgewinn.
Der Markt für Essenslieferdienste zeigt sich nach den Boomjahren der Corona-Pandemie zunehmend kompetitiv. Unternehmen wie Uber Eats und Amazon Fresh drängen massiv in den Markt, während kleinere Anbieter unter Kostendruck geraten und Marktanteile verlieren. Vor diesem Hintergrund setzen viele Player auf Zusammenschlüsse, um ihre Position zu festigen.
Beispielhaft hierfür steht der kürzlich abgeschlossene Deal, bei dem der Investor Prosus den europäische Lieferdienstgiganten Just Eat Takeaway für 4,1 Milliarden Euro übernommen hat. Die bevorstehende Übernahme von Deliveroo durch DoorDash wäre damit ein weiterer Meilenstein in der laufenden Konsolidierung des Marktes.
Synergiepotenziale: Keine Überschneidungen, große Chancen
Ein wesentliches Argument für die Übernahme ist die geographische Komplementarität: Während DoorDash, gegründet 2013 in Palo Alto und heute mit Sitz in San Francisco, vor allem die Märkte in den USA, Kanada, Australien und Neuseeland dominiert, konzentriert sich Deliveroo auf Europa und den asiatisch-pazifischen Raum.
Diese weitgehend unterschiedlichen Marktregionen minimieren die Gefahr regulatorischer Eingriffe durch Wettbewerbsbehörden. Zudem hoffen beide Unternehmen, durch die Zusammenlegung von Infrastruktur und Know-how Synergien zu erzielen – beispielsweise im Bereich Technologie, Logistik und Marketing.
Deliveroo hatte ursprünglich ein Rückkaufprogramm im Umfang von 100 Millionen Pfund angekündigt, das angesichts des Übernahmeangebots nun auf Eis gelegt wurde. Dieser Schritt soll sicherstellen, dass Liquiditätsreserven erhalten bleiben, um im Falle eines erfolgreichen Abschlusses finanziell flexibel agieren zu können.
Risiken im Hintergrund: Rechtsstreit in den USA
Parallel zu den Fusionsgesprächen sieht sich DoorDash mit einer brisanten Klage von Konkurrent Uber konfrontiert. Uber beschuldigt DoorDash, Restaurantpartner unter Druck gesetzt zu haben, um Exklusivverträge zu erwirken und dadurch den Wettbewerb zu beschneiden. DoorDash wies die Vorwürfe scharf zurück und beantragte die Abweisung der Klage vor einem kalifornischen Gericht. Das Unternehmen sprach von einer „zynischen Einschüchterungstaktik“ und bekräftigte, weiter auf fairen Wettbewerb zu setzen.
Ob und inwieweit dieser Rechtsstreit Auswirkungen auf die Übernahmegespräche mit Deliveroo haben könnte, bleibt bislang offen.
Ein Deal mit Signalwirkung für die Branche?
Die bevorstehende Übernahme von Deliveroo durch DoorDash könnte weitreichende Folgen für den gesamten Lebensmittelliefersektor haben. Experten gehen davon aus, dass DoorDash seine bereits starke Marktposition in den USA durch die Expansion nach Europa massiv ausbauen könnte. Für Deliveroo wiederum böte der Zusammenschluss die Chance, langfristig im harten Wettbewerb gegen globale Giganten wie Uber Eats zu bestehen.
Auch für Investoren ist die Übernahme eine interessante Perspektive: Während die Deliveroo-Aktien nach Bekanntgabe der Gespräche sprunghaft an Wert zulegten, reagierten die Papiere von DoorDash leicht negativ – ein Zeichen dafür, dass kurzfristige Risiken durchaus gesehen werden, die strategischen Vorteile aber überwiegen könnten.