Krankheitswelle in Deutschland auf Rekordniveau

Derzeitige Entwicklungen zeigen, dass Krankmeldungen in Deutschland erneut einen Höchststand erreichen. Bereits vor dem Start der üblichen Herbst- und Wintererkältungssaison bewegen sich die Krankheitsfälle auf einem Rekordniveau, wie jüngste Statistiken des AOK-Bundesverbands verdeutlichen. Laut AOK-Daten wurden von Januar bis August 2024 bereits 225 krankheitsbedingte Arbeitsausfälle pro 100 Versicherte registriert – ein Wert, der den Rekord des gesamten Vorjahres erreicht hat. Diese Zahlen lassen für die kommenden Monate eine weitere Steigerung erwarten, insbesondere mit Blick auf die zu erwartende Grippewelle.

Atemwegserkrankungen und psychische Belastungen im Fokus

Ein Großteil der Krankheitsfälle entfällt weiterhin auf Atemwegserkrankungen, die auf 100 AOK-Mitglieder rund 75 Krankmeldungen im bisherigen Jahr ausmachten. Diese Entwicklung ist jedoch kein neues Phänomen: Auch in früheren Jahren war ein hoher Anteil der Fehlzeiten auf Erkrankungen wie Grippe oder Erkältung zurückzuführen. Interessant ist, dass neben physischen Erkrankungen zunehmend psychische Beschwerden die Fehlzeiten beeinflussen. So gab es zwischen Januar und August 2024 bereits 15 Krankheitsfälle pro 100 Versicherte, die auf psychische Belastungen zurückzuführen sind – eine Anzahl, die bereits das Niveau des Vorjahres überschreitet.

Die Ursachen für den Anstieg der psychischen Erkrankungen sind vielseitig. Belastungen durch globale Krisen, eine zunehmende Verdichtung der Arbeitsaufgaben sowie eine konstante Erreichbarkeit sind Faktoren, die auf das Wohlbefinden der Beschäftigten drücken. Laut einer Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK sind besonders Mitarbeitende im Bildungswesen, Gesundheits- und Sozialsektor sowie im öffentlichen Dienst betroffen – Bereiche, die durch intensiven Kontakt mit Menschen geprägt sind und dadurch einen erhöhten Stressfaktor mit sich bringen.

Elektronische Krankmeldungen: Erhöhte Erfassungsrate?

Neben dem tatsächlichen Anstieg der Krankheitsfälle wird auch die Einführung der elektronischen Krankmeldung als ein möglicher Grund für die gestiegenen Zahlen betrachtet. Die automatische Übermittlung an Krankenkassen sorgt dafür, dass Krankschreibungen umfassender und zuverlässiger erfasst werden, da Patienten in der Vergangenheit Krankenscheine oftmals nicht an die Versicherung gesendet haben. Die AOK sieht diesen Prozess als sinnvollen Schritt, um den Überblick über die Fehlzeiten zu verbessern und Missbrauch durch verlorene Krankenscheine zu reduzieren.

Kontroverse um die telefonische Krankmeldung

Während die Krankenkassen den Anstieg der Krankmeldungen primär auf strukturelle und gesundheitliche Ursachen zurückführen, hat Bundesfinanzminister Christian Lindner eine Diskussion über die Abschaffung der telefonischen Krankschreibung angestoßen. Lindner argumentiert, dass durch diese Maßnahme die Krankschreibungen in die Höhe getrieben werden und eine Rückkehr zur persönlichen Krankschreibung möglicherweise zur Reduzierung der Fehlzeiten beitragen könnte. Dem widersprechen jedoch die Krankenkassen. So betont die AOK-Vorstandsvorsitzende Carola Reimann, dass die telefonische Krankschreibung während der Pandemie verantwortungsvoll genutzt wurde und auch in Zukunft sinnvoll sein könnte, um Arztpraxen in Infektionszeiten zu entlasten.

DAK-Analyse: Ein ungewöhnlich hoher Krankenstand im Sommer

Auch die Krankenkasse DAK verzeichnete einen besonders hohen Krankenstand in den Sommermonaten 2024. Fast ein Drittel der Erwerbstätigen war in den Monaten Juli bis September mindestens einmal krankgemeldet. Insgesamt lag der Krankenstand bei 5,0 Prozent, was bedeutet, dass täglich durchschnittlich 50 von 1.000 Beschäftigten krankgeschrieben waren. Diese Zahlen sind für die Sommerzeit ungewöhnlich, da in dieser Periode normalerweise eine geringere Krankheitsrate erwartet wird. Bewegungsapparat-Erkrankungen und psychische Erkrankungen führten dabei die Liste der häufigsten Ursachen an, gefolgt von Atemwegserkrankungen.

Der wirtschaftliche Druck durch hohe Krankheitsraten

Die hohen Fehlzeiten werfen auch für Unternehmen große Herausforderungen auf. Der ohnehin bestehende Fachkräftemangel wird durch die steigenden Krankheitsfälle zusätzlich verschärft. Wie die Vorsitzende des Sozialverbands Deutschland (SoVD), Michaela Engelmeier, erklärt, müsse die Arbeit zunehmend auf weniger Schultern verteilt werden. Die telefonische Krankschreibung bewertete der SoVD als eine Erleichterung sowohl für Patienten als auch für das Gesundheitswesen und spricht sich gegen eine voreilige Abschaffung dieser Option aus.

Zusammenhang zwischen Unternehmensbindung und Gesundheit

Interessanterweise zeigt der AOK-Report einen Zusammenhang zwischen der emotionalen Bindung der Mitarbeitenden an ihre Unternehmen und ihrer Gesundheit. Mitarbeitende, die eine starke Bindung an ihren Arbeitgeber verspüren, geben laut Befragungen einen besseren subjektiven Gesundheitszustand an. Für Unternehmen könnte dies bedeuten, dass eine Investition in eine stärkere Mitarbeiterbindung und gezielte betriebliche Gesundheitsförderung möglicherweise auch zu weniger krankheitsbedingten Ausfällen führen könnte. Das Wissenschaftliche Institut der AOK unterstreicht hier den Wert von Führungsstrategien, die auf Empathie und Respekt basieren, und empfiehlt betriebliche Gesundheitsangebote, um das Wohlbefinden der Mitarbeitenden aktiv zu unterstützen.

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