Klimapolitik in Deutschland: Expertenrat fordert Kurswechsel

Der Expertenrat für Klimafragen hat sich in einem aktuellen Gutachten mit der Wirksamkeit der deutschen Klimapolitik befasst. Dabei wurden sowohl Fortschritte als auch erhebliche Defizite aufgezeigt. Insbesondere zwei zentrale Denkfehler stehen im Fokus: die soziale Ungerechtigkeit der Maßnahmen und die mangelnde Koordination zwischen den einzelnen Politikfeldern. Gleichzeitig zeigt sich, dass regionale Unternehmen zunehmend Verantwortung übernehmen und durch innovative Initiativen zur Klimaneutralität beitragen.

Soziale Ungerechtigkeit durch Klimamaßnahmen

Laut der Vorsitzenden des Expertenrates, Brigitte Knopf, profitieren vor allem einkommensstarke Haushalte von aktuellen Förderprogrammen. Geringverdiener hingegen haben oft nicht die finanziellen Mittel, um etwa auf erneuerbare Energien umzusteigen oder energieeffiziente Technologien zu nutzen. Das führt zu einem „Fossil Lock-in“ – einer anhaltenden Abhängigkeit von fossilen Energieträgern, insbesondere für finanziell schwächere Bevölkerungsgruppen.

Um diesem Problem entgegenzuwirken, fordert das Gutachten konkrete Maßnahmen:

  • Eine dauerhafte Senkung der Stromsteuer für alle Verbraucher
  • Den gezielten Ausbau der öffentlichen Infrastruktur
  • Förderprogramme, die speziell auf verschiedene Einkommensgruppen abgestimmt sind
  • Die Stärkung staatlicher Programme wie den „Stromspar-Check“, der einkommensschwachen Haushalten hilft, ihren Energieverbrauch zu senken

Frankreich wird dabei als positives Beispiel angeführt: Dort erleichtert ein „Social Leasing“-Programm durch Subventionen einkommensschwachen Haushalten den Zugang zum E-Auto-Markt.

Fehlende Koordination zwischen Politikfeldern

Die deutsche Klimapolitik ist stark fragmentiert, da die einzelnen Ressorts oft gegeneinander statt miteinander arbeiten. Insbesondere die Sektoren Verkehr und Gebäude haben ihre Klimaziele nicht erreicht. Dies liegt unter anderem daran, dass sie nicht von den Mechanismen des europäischen Emissionshandels profitieren können, der erst ab 2027 Verkehr und Gebäude einbezieht.

Der Expertenrat fordert daher die Einführung eines zentralen Koordinationsmechanismus – eine Art „Klimakabinett 2.0“. Ein solches Gremium, das bereits 2019 existierte, könnte dazu beitragen, die politischen Maßnahmen effektiver aufeinander abzustimmen. Dazu gehören ein ausgefeiltes Monitoring- und Evaluierungssystem sowie eine zentrale Strategie zur Harmonisierung der verschiedenen Sektoren.

Trotz dieser Defizite zeigt das Gutachten auch positive Entwicklungen. So hat Deutschland die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern insbesondere im Energiesektor reduziert. Der CO2-Ausstoß konnte 2023 um neun Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesenkt werden. Dennoch bestehen weiterhin Herausforderungen:

  • Die Klimaziele für die Sektoren Verkehr und Gebäude wurden nicht erreicht.
  • Die Landnutzung, einst eine Nettosenke für CO2, ist mittlerweile zur Nettoquelle geworden.

Regionale Verantwortung: Unternehmen als Vorreiter

Während auf nationaler Ebene noch viele Baustellen bestehen, setzen regionale Unternehmen verstärkt auf nachhaltige Lösungen. Ein Beispiel ist der „Blue City – Klimapakt Augsburger Wirtschaft“, eine Initiative, die sich für eine klimaneutrale Stadt vor 2040 einsetzt. Die Zahl der teilnehmenden Unternehmen hat sich gegenüber 2023 verdoppelt.

Mitglieder des Klimapakts profitieren von:

  • Netzwerktreffen und Workshops zur nachhaltigen Unternehmensführung
  • Kooperationen mit der Universität Augsburg für praxisnahe Forschungsprojekte
  • Mehr Sichtbarkeit durch digitale Plattformen und Broschüren

Ein neues Klimakonzept ist notwendig

Zwar gibt es Fortschritte in der deutschen Klimapolitik, doch die soziale Ungerechtigkeit und die mangelnde Koordination zwischen den Sektoren verhindern eine effektive Transformation. Um die Klimaziele zu erreichen, muss eine integrierte Strategie entwickelt werden, die finanzielle Hürden für sozial schwächere Bevölkerungsgruppen abbaut und die Zusammenarbeit zwischen den Ressorts verbessert. Gleichzeitig zeigt sich, dass lokale Initiativen wie der „Blue City – Klimapakt Augsburger Wirtschaft“ eine wichtige Rolle spielen. Unternehmen, die aktiv Klimaschutzmaßnahmen umsetzen, tragen nicht nur zur Nachhaltigkeit bei, sondern sichern auch ihre wirtschaftliche Zukunft.