Kaufland expandiert nach Frankreich und Italien: So geht es nach dem Skandal weiter
Kaufland strebt nach mehr als regionaler Marktpräsenz: Der Konzern positioniert sich strategisch als europäische Antwort auf globale Online-Platzhirsche wie Amazon und Temu. Unter dem Dach der Schwarz-Gruppe verfolgt Kaufland das Ziel, mit dem Kaufland Global Marketplace eine kontinentale Plattform für den digitalen Handel zu etablieren – „aus Europa für Europa“, wie E-Commerce-Chef Gerald Schönbucher betont. Im Zentrum dieser Offensive steht die Expansion in zwei bedeutende Märkte: Frankreich und Italien.
Diese beiden Länder zählen nach Deutschland zu den größten E-Commerce-Märkten Europas – mit 37 bzw. 22 Millionen potenziellen Online-Käufern. Mit dem geplanten Marktplatzstart im Spätsommer 2025 erweitert Kaufland seine potenzielle Reichweite auf rund 140 Millionen Kunden. Ein ehrgeiziger Schritt, der den bisherigen Erfolg des Unternehmens auf internationaler Bühne fortschreiben soll.
Besonders bemerkenswert: Kauflands Online-Plattform funktioniert auch dort hervorragend, wo keine stationären Filialen existieren. Das zeigt das Beispiel Österreich, wo monatlich bis zu eine Million Nutzer die Plattform besuchen. Die Händler, die ihre Produkte auf den Marktplätzen in Österreich und Polen anbieten, konnten ihre Umsätze durchschnittlich um 32 Prozent steigern. Diese Zahlen bestätigen, dass die Vision eines rein digitalen, länderübergreifenden Marktplatzes nicht nur Theorie ist, sondern konkrete wirtschaftliche Erfolge zeigt.
Technologische Basis: Der Kaufland Global Marketplace
Die technologische Grundlage für diesen Expansionskurs bildet die eigens entwickelte All-in-one-Lösung Kaufland Global Marketplace. Mit nur einer Anmeldung können Händler ihre Produkte in mehreren Ländern gleichzeitig vertreiben – inklusive automatisierter Übersetzung der Produktdaten, Zahlungsabwicklung in Landeswährung und lokalisiertem Kundensupport. Dieses System reduziert technische Hürden und bietet insbesondere kleineren Händlern die Chance, international zu wachsen.
Das Modell sieht außerdem kostenfreie Services für die Internationalisierung vor, darunter etwa die vollständige Betreuung des First-Level-Kundenservice in der Landessprache oder eine zentrale Steuerung von Sortiment und Bestellungen. Diese Infrastruktur verschafft Kaufland einen klaren Wettbewerbsvorteil gegenüber internationalen Mitbewerbern.
Erfolgskennzahlen und Wachstumspotenziale
Die Zahlen sprechen für sich: 2024 konnte das Gross Merchandise Volume (GMV) des Kaufland-Marktplatzes um 7,85 Prozent gesteigert werden. Besonders gefragt waren Produkte aus den Bereichen Elektronik & Computer (24 Prozent Anteil) sowie Garten & Heimwerken (20 Prozent). Bestseller sind unter anderem Smartphones, Fernseher, Tablets und Staubsaugerroboter – typische Konsumgüter der digitalen Mittelschicht.
In Deutschland zählt Kaufland monatlich bis zu 32 Millionen Online-Besucher. Das Sortiment umfasst über 45 Millionen Artikel aus mehr als 6.400 Kategorien. Auch in den Ländern Tschechien, Slowakei, Polen und Österreich ist Kaufland mittlerweile fest etabliert. Dort agieren zwischen 3.000 und 4.700 Händler, die Millionen Produkte anbieten. Insgesamt betreibt das Unternehmen derzeit fünf Marktplätze, mit Frankreich und Italien sollen zwei weitere folgen.
Was Kaufland von vielen internationalen Wettbewerbern unterscheidet, ist das Selbstverständnis als partnerschaftliche Plattform. Schönbucher hebt die persönliche Zusammenarbeit mit Händlern, Marken und Partnern hervor. Kaufland setze bewusst auf langfristige Kooperationen und halte sich strikt an europäische Standards, insbesondere im Bereich Datenschutz und Produktsicherheit. Diese werteorientierte Ausrichtung zielt auf Vertrauen – sowohl bei Konsumenten als auch auf Händlerseite.
Parallelbaustelle Filialqualität: Die Konsequenz aus Kritik
Während der digitale Auftritt expandiert, kämpft Kaufland im stationären Geschäft mit dem Imageverlust nach Enthüllungen der TV-Reportage „Team Wallraff“. In mehreren Filialen wurden erhebliche hygienische Mängel dokumentiert – von maroden Kühlanlagen bis zu Pfützen und verschmutzten Theken. Die Reaktion des Unternehmens war entschlossen und öffentlichkeitswirksam: Vorstand Jochen Kratz versprach umfassende Gegenmaßnahmen.
Eine der wichtigsten Investitionen: jährlich 500 Millionen Euro für die Modernisierung und Instandhaltung der Kühlmöbel. Zusätzlich sollen alle deutschen Filialen grundgereinigt und das Personal gezielt in den Bereichen Frische und Hygiene geschult werden. Dabei setzt Kaufland auf externe Institute sowie auf sogenannte „Frischetrainer“, die sich speziell um die Thekenbereiche kümmern.
In einzelnen betroffenen Filialen wurden bereits konkrete Schritte eingeleitet. So wird die Filiale in Homburg für sechs Monate geschlossen und mit einem Investitionsvolumen von zwei Millionen Euro grundlegend saniert. In Bad Tölz blieb die Filiale zur Durchführung von Hygienemaßnahmen für eine Woche geschlossen, das Team wurde ausgetauscht und neu geschult. Ziel ist es, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen – durch sichtbare Verbesserungen und transparente Kommunikation.
Gleichzeitig stellt Kaufland klar: In den über 770 Filialen bundesweit könnten sich die Kundinnen und Kunden weiterhin auf Sauberkeit und verantwortungsvollen Umgang mit Lebensmitteln verlassen. Die angekündigten Investitionen sollen sicherstellen, dass Missstände nicht zur Regel, sondern zur Ausnahme werden – und dass Qualität nicht nur online, sondern auch im Laden vor Ort Maßstab bleibt.
Die Strategie, sich als europäische Alternative zu amerikanischen und asiatischen Plattformen zu positionieren, könnte langfristig aufgehen – sofern Kaufland gelingt, Online-Wachstum und stationäre Verlässlichkeit in Einklang zu bringen. Denn in einem zunehmend digitalisierten Handel zählt nicht nur Reichweite, sondern auch Glaubwürdigkeit.