Fleischproduktion steigt: Die Deutschen essen doch nicht weniger Fleisch
Lange Zeit galt der Rückgang des Fleischkonsums als unumkehrbare Entwicklung. Supermärkte und Discounter werben zunehmend mit pflanzlichen Alternativen, während immer mehr Menschen bewusst weniger oder gar kein Fleisch konsumieren. Seit 2016 war die Schlachtmenge in Deutschland kontinuierlich rückläufig – bis 2024. Jüngste Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen einen Produktionsanstieg von 1,4 Prozent auf insgesamt 6,9 Millionen Tonnen. Besonders bei Schweinen war das Plus mit rund 2 Prozent am höchsten, gefolgt von Mastrindern (1,2 Prozent) und Mastgeflügel (0,3 Prozent).
Steffen Reiter, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Fleischwirtschaft (VDF), sieht in dieser Entwicklung eine Trendwende. Investitionen in Klimaschutz und Tierschutz würden sich zunehmend auszahlen. Doch nicht alle teilen diesen Optimismus. Claus Deblitz vom Thünen-Institut für Betriebswirtschaft zweifelt an einem nachhaltigen Wachstum. Die aktuellen Zahlen seien eher als Ausnahme zu betrachten und der langfristige Trend werde weiter nach unten zeigen. Auch eine YouGov-Umfrage zeigt, dass knapp 60 Prozent der Befragten ihren Fleischkonsum nicht geändert haben, während 26 Prozent weniger und nur 4 Prozent mehr Fleisch verzehrten.
Junge Generation als Treiber der Entwicklung?
Laut dem Ernährungsreport 2024 steigt insbesondere bei der Altersgruppe von 14 bis 29 Jahren der tägliche Fleischkonsum. Dennoch dürfen dabei demografische Faktoren nicht außer Acht gelassen werden. Die älteren Generationen, die traditionell mehr Fleisch konsumieren, reduzieren ihren Verzehr in stärkerem Maße. Langfristig könnte dies zu einem weiteren Rückgang in der Gesamtbilanz führen, da die nachrückende Generation insgesamt weniger Fleisch isst.
Ein oft übersehener Faktor für den Anstieg der Fleischproduktion ist das Schaltjahr. Durch den zusätzlichen Tag hatten Tiere in der Mast mehr Zeit, um Gewicht zuzulegen. Experten gehen davon aus, dass allein dieser Umstand einen Produktionsanstieg von bis zu 0,3 Prozent verursacht haben könnte. Zudem spielten wirtschaftliche Rahmenbedingungen eine Rolle. Seit dem Beginn des Ukraine-Krieges profitierten Viehbetriebe von steigenden Preisen für Schlachtvieh, was die Produktion vorübergehend stabilisierte.
Größere Tiere statt mehr Schlachtungen
Interessanterweise resultiert der Produktionsanstieg nicht zwingend aus einer höheren Zahl geschlachteter Tiere. Vielmehr werden Rinder und Schweine heutzutage länger gemästet, wodurch sie schwerer werden. Beispielsweise blieb die Zahl der geschlachteten Rinder 2024 weitgehend unverändert, während die produzierte Fleischmenge um 1,2 Prozent zunahm. Auch Schweine wiesen ein höheres Durchschnittsgewicht auf. Hier spielten wirtschaftliche Erwägungen eine Rolle: Höhere Fleischpreise führten dazu, dass Landwirte ihre Tiere länger in der Mast hielten, um den Ertrag zu steigern.
Rückgang der Milchkühe und Import von Ferkeln
Die Rindfleischgewinnung basiert in Deutschland hauptsächlich auf der Milchkuhhaltung. Da die Zahl der Milchkühe seit Jahren sinkt, schrumpft auch das Angebot an Kälbern für die Mast. Gleichzeitig wurden 2024 wieder verstärkt Ferkel aus Dänemark importiert, da die niedrigen Preise dort weniger attraktiv für die Mast waren. Deutsche Betriebe erhielten so mehr Tiere und konnten entsprechend mehr Schlachtungen durchführen.
Ein Teil des Produktionszuwachses lässt sich durch die steigende Beliebtheit von Geflügelfleisch erklären. Geflügel gilt als fettarm, günstig und gesund und wird daher von Verbrauchern bevorzugt. Da sich hier die Nachfrage stabil hält, führte dies auch zu einem moderaten Anstieg in der Geflügelproduktion.
Der Anstieg der Fleischproduktion in Deutschland ist kein eindeutiges Indiz für eine steigende Nachfrage. Vielmehr spielen strukturelle und wirtschaftliche Faktoren eine zentrale Rolle. Die Verlängerung der Mastzeiten, der Import von Ferkeln und die Auswirkungen eines Schaltjahres haben zur höheren Produktionsmenge beigetragen. Gleichzeitig bleibt der Trend zur Reduzierung des Fleischkonsums bestehen, insbesondere bei älteren Verbrauchern.