Elektronische Patientenakte: Chancen, Herausforderungen und der Weg zur Einführung

Die elektronische Patientenakte (ePA) steht als eines der größten Digitalisierungsprojekte im deutschen Gesundheitswesen im Fokus der Diskussionen. Sie verspricht Effizienz, Kostensenkung und Fortschritte in der medizinischen Versorgung, trifft jedoch gleichzeitig auf Skepsis und Bedenken seitens der Ärzteschaft und Experten.

Die Idee der elektronischen Patientenakte ist nicht neu. Bereits 2003 wurde sie von der damaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt als revolutionäres Vorhaben angekündigt. Ziel war es, Milliarden einzusparen und die Patientenversorgung zu verbessern. Trotz hoher Investitionen über die Jahre – sie summierten sich auf Milliardenbeträge – ist der Nutzen bislang begrenzt.

Mit der Einführung der ePA soll sich das ändern. Sie soll sämtliche Gesundheitsinformationen der Versicherten bündeln – von Diagnosen und Labordaten über den Impfstatus bis hin zu Medikamentenverschreibungen. Ziel ist es, unnötige Untersuchungen zu vermeiden, die Forschung zu fördern und die Versorgung effizienter zu gestalten. Eine flächendeckende Nutzung durch 80 Prozent der gesetzlich Versicherten ist das erklärte Ziel des Bundesgesundheitsministeriums.

Flexibler Start und Pilotprojekte

Der ursprünglich für den 15. Februar 2025 geplante bundesweite Starttermin der ePA wurde inzwischen flexibilisiert. Stattdessen beginnt eine Erprobungsphase am 15. Januar 2025 in drei Modellregionen: Hamburg, Franken und Nordrhein-Westfalen. In Nordrhein sollen 25 ausgewählte Arztpraxen und vier Kliniken erste Erfahrungen sammeln. Dieses Vorgehen soll sicherstellen, dass Praxen und Krankenhäuser reibungslos mit der neuen Technologie arbeiten können, bevor sie bundesweit eingeführt wird.

KV-Vize Dr. Carsten König unterstreicht, dass die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNo) Wert auf eigene, unabhängige Erkenntnisse legt und nicht allein auf die Ergebnisse aus den Modellregionen vertraut. Er hofft, durch praxisnahe Tests ungefilterte Einblicke in die Funktionalität der ePA zu gewinnen.

Ärzte fordern Transparenz bei Honorarangaben

Ein zentraler Diskussionspunkt bei der Einführung der ePA ist die Darstellung von Honoraren für ärztliche Leistungen. In der aktuellen Planung sollen Patienten in der ePA sehen können, welche Leistungen erbracht wurden und welche Kosten damit verbunden sind. Doch die Vertreterversammlung der KVNo fordert Nachbesserungen. Der Essener Orthopäde Dr. Andreas Helfenstein warnt, dass die angezeigten Beträge die tatsächlich ausgezahlten Honorare nicht korrekt widerspiegeln. Dies könnte bei Patienten falsche Vorstellungen über die Vergütung der Ärzte erzeugen.

Mit deutlicher Mehrheit beschloss die Vertreterversammlung, den KVNo-Vorstand aufzufordern, sich für einen Hinweis in der ePA einzusetzen: „Das der Ärztin/dem Arzt erstattete Honorar liegt besonders in NRW deutlich unter dem angezeigten Betrag.“ Dieser Schritt soll das Vertrauen in die ePA stärken und Missverständnisse vermeiden.

Sorgen um Bürokratie und IT-Ausfälle

Während die Vorteile der ePA weithin anerkannt werden, gibt es unter den niedergelassenen Ärzten und Psychotherapeuten auch erhebliche Bedenken. Laut einer Befragung im Rahmen des „Praxisbarometers Digitalisierung 2024“ fürchten viele Mediziner, dass die Einführung der ePA mit einem erhöhten Verwaltungsaufwand einhergeht. Diese Sorgen sind nicht unbegründet, wie Erfahrungen mit früheren Projekten wie dem elektronischen Rezept (E-Rezept) zeigen, dessen Einführung von IT-Ausfällen und anderen Problemen begleitet wurde.

Auch Sicherheitsbedenken spielen eine Rolle. Forschungen des Fraunhofer-Instituts für Sichere Informationstechnologie (Fraunhofer SIT) haben Schwachstellen im gematik-Konzept der ePA aufgedeckt, die vor dem Start behoben werden müssen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, technische und organisatorische Herausforderungen ernst zu nehmen.

Weniger Funktionen zum Start

Um den ehrgeizigen Zeitplan einzuhalten, wird die ePA zunächst mit reduziertem Funktionsumfang eingeführt. Die Integration neuer Module, die Arztpraxen, Kliniken und Apotheken mit der ePA vernetzen, erfolgt erst nach einer erfolgreichen Pilotphase von etwa vier Wochen. Diese schrittweise Einführung soll sicherstellen, dass die technische Infrastruktur stabil ist und ein reibungsloser Betrieb gewährleistet wird.

Die schrittweise Einführung wird von vielen Beteiligten begrüßt. Sie gibt den Leistungserbringern Zeit, sich mit der neuen Technologie vertraut zu machen, und reduziert das Risiko von Störungen, wie sie bei früheren Digitalisierungsprojekten auftraten.

Patienten im Fokus: Opt-out-Verfahren und Verbraucherschutz

Ein weiteres Novum ist das sogenannte Opt-out-Verfahren: Die ePA wird automatisch für alle gesetzlich Versicherten angelegt, es sei denn, sie widersprechen ausdrücklich. Verbraucherschützer kritisieren jedoch, dass der Widerspruch mit Hindernissen verbunden sei. Es bleibt abzuwarten, wie hoch die Akzeptanz der ePA unter diesen Bedingungen tatsächlich sein wird.

Langfristig hofft das Bundesgesundheitsministerium, dass die ePA nicht nur für Patienten, sondern auch für die Forschung von Nutzen ist. Die gesammelten Gesundheitsdaten könnten neue Erkenntnisse ermöglichen und zur Weiterentwicklung medizinischer Behandlungen beitragen.

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