Der Mythos des gesunden Stehens: Studie zu Herz-Kreislauf-Problemen

Sitzen wird oft als das „neue Rauchen“ bezeichnet – und das aus gutem Grund. Langes Sitzen, sei es am Schreibtisch oder auf der Couch, birgt erhebliche Risiken für die Gesundheit. Es fördert Herz-Kreislauf-Erkrankungen, schadet Muskeln und Gelenken und begünstigt Übergewicht. Viele Menschen haben darauf reagiert, indem sie vermehrt im Stehen arbeiten, etwa an höhenverstellbaren Schreibtischen. Doch nun zeigt eine neue Studie: Stehen allein ist keine Lösung. Tatsächlich bringt es sogar eigene gesundheitliche Gefahren mit sich.

Sitzende Tätigkeiten und ihre Folgen

In vielen Berufen verbringen Menschen den Großteil ihres Tages sitzend. Diese weitverbreitete Gewohnheit hat erhebliche Auswirkungen auf den Körper, insbesondere auf das Herz-Kreislauf-System. Langes Sitzen verlangsamt den Stoffwechsel, was dazu führt, dass weniger Kalorien verbrannt werden und die Fettverbrennung reduziert ist. Dies begünstigt Übergewicht und kann zu einer Reihe von gesundheitlichen Problemen führen. Besonders gefährlich ist es, wenn die Sitzdauer zehn Stunden oder mehr pro Tag beträgt. Das Risiko für Herzinfarkte, Herzinsuffizienz und andere kardiovaskuläre Erkrankungen steigt bei einer so langen Inaktivität drastisch an.

Doch nicht nur das Herz leidet unter einer sitzenden Lebensweise. Auch Muskeln und Gelenke, insbesondere im Rücken und Nacken, werden belastet, was zu chronischen Schmerzen führen kann. Einige Menschen haben diese Risiken erkannt und versuchen, durch regelmäßiges Stehen ihre Gesundheit zu schützen. Die Idee dahinter ist nachvollziehbar: Bewegung ist gut, also muss das Stehen besser sein als Sitzen. Aber ist das wirklich so?

Stehen als Problemlösung? Nicht ganz.

Eine in der Fachzeitschrift International Journal of Epidemiology veröffentlichte Langzeitstudie der University of Sydney zeigt, dass auch das Stehen gesundheitliche Risiken birgt. Die Forschenden analysierten Daten von mehr als 80.000 britischen Erwachsenen, die über einen Zeitraum von sieben Jahren verfolgt wurden. Dabei wurden die Steh- und Sitzgewohnheiten der Probanden durch Bewegungstracker erfasst. Die Ergebnisse überraschen: Stehen statt Sitzen kann das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht senken. Im Gegenteil – langes Stehen kann zusätzliche gesundheitliche Probleme mit sich bringen.

Insbesondere Gefäßerkrankungen wie Krampfadern und Venenthrombosen treten bei Menschen, die viel stehen, häufiger auf. Die Blutgefäße in den Beinen müssen gegen die Schwerkraft arbeiten, um das Blut zurück zum Herzen zu pumpen. Das führt bei langem Stehen zu einer erhöhten Belastung, was langfristig zu Gefäßproblemen führen kann. Wer also glaubt, dass er durch das Stehen einen inaktiven Lebensstil ausgleichen kann, irrt sich.

Bewegung statt Stillstand

Was bedeutet das für den Arbeitsalltag? Weder langes Sitzen noch langes Stehen sind förderlich für die Gesundheit. Vielmehr kommt es auf die richtige Balance an – und vor allem auf regelmäßige Bewegung. Experten wie der Studienautor Matthew Ahmadi betonen, dass Bewegung der Schlüssel zu einer besseren Gesundheit ist. Lange Phasen des Sitzens oder Stehens sollten vermieden und durch Aktivität unterbrochen werden.

Emmanuel Stamatakis, ein weiterer führender Autor der Studie, empfiehlt, regelmäßige Pausen zu machen und sich zu bewegen. Bereits kleine Veränderungen im Tagesablauf können große Auswirkungen haben. So sollten Menschen, die viel sitzen oder stehen, regelmäßig kurze Gehpausen einlegen. Auch Meetings können im Gehen stattfinden, und statt des Aufzugs sollte häufiger die Treppe genommen werden. Die Mittagspause bietet ebenfalls eine Gelegenheit, sich zu bewegen und den Körper in Schwung zu bringen.

Eine frühere Studie derselben Forschungsgruppe zeigt, dass bereits sechs Minuten intensiver körperlicher Aktivität oder 30 Minuten mäßiger Bewegung pro Tag ausreichen können, um das Risiko für Herzerkrankungen signifikant zu senken – selbst bei Menschen, die ansonsten viel sitzen. Statt also nur die Arbeitsposition zu wechseln, sollte man sich darauf konzentrieren, insgesamt aktiver zu sein.

Die Illusion des gesunden Stehens

Der Trend zu höhenverstellbaren Schreibtischen und Stehpulten hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Die Vorstellung, dass das Stehen eine einfache Lösung für die gesundheitlichen Risiken des Sitzens darstellt, war weit verbreitet. Doch die neue Studienlage widerlegt diese Annahme. Es zeigt sich, dass Stehen nicht nur keine Vorteile für die Herz-Kreislauf-Gesundheit bringt, sondern sogar schädlich sein kann. Insbesondere das Risiko für Kreislauferkrankungen steigt durch langes Stehen an.

Viele Menschen waren davon überzeugt, dass sie durch Stehen ihre Gesundheit verbessern. In Büros sieht man immer mehr Mitarbeiter, die an Stehpulten arbeiten, und auch zu Hause richten sich Menschen Steharbeitsplätze ein. Doch was gut gemeint ist, könnte langfristig mehr Schaden als Nutzen bringen. Langes Stehen kann nicht nur zu Kreislaufproblemen führen, sondern belastet auch die Gelenke und Muskeln auf andere Weise als das Sitzen.

Ein ausgewogenes Verhältnis finden

Die Forschungsergebnisse der University of Sydney verdeutlichen, dass es kein „entweder oder“ gibt. Weder das Sitzen noch das Stehen sollten über lange Zeiträume hinweg praktiziert werden. Stattdessen sollten Menschen, die viel am Schreibtisch arbeiten, darauf achten, regelmäßig ihre Haltung zu wechseln und sich zu bewegen.

Stamatakis rät zu einem aktiven Alltag: „Vermeiden Sie es, über lange Zeit in einer Position zu verharren. Stehen Sie auf, gehen Sie umher, nehmen Sie an Meetings im Gehen teil oder machen Sie eine kurze Dehnpause.“ Auch kurze Spaziergänge in der Mittagspause oder der Griff zur Treppe anstelle des Aufzugs können einen positiven Effekt haben. Wer sich konsequent mehr bewegt, reduziert nicht nur das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sondern fördert auch seine allgemeine Fitness und Gesundheit.

Bewegung ist das A und O

In einer modernen Arbeitswelt, die von langem Sitzen geprägt ist, suchen viele Menschen nach Wegen, um ihre Gesundheit zu schützen. Stehen wurde lange als einfache Lösung betrachtet, doch die neuesten Studien zeigen, dass dies ein Trugschluss ist. Weder Sitzen noch Stehen sind in großen Mengen gesund – die Antwort liegt vielmehr in der regelmäßigen Bewegung.

Die Studien der University of Sydney belegen, dass selbst kleine Aktivitätseinheiten einen großen Unterschied machen können. Es ist daher ratsam, in den Arbeitsalltag gezielt Bewegungspausen einzubauen. Mit einem ausgewogenen Verhältnis aus Sitzen, Stehen und Bewegung kann man die gesundheitlichen Risiken minimieren und langfristig fitter und gesünder bleiben.

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