Der Kampf gegen das Aufschieben: Praktische Strategien zur Überwindung der Prokrastination

Das Aufschieben von Aufgaben – auch bekannt als Prokrastination – ist ein allgegenwärtiges Phänomen, das nicht nur Produktivität hemmt, sondern auch das Wohlbefinden negativ beeinflussen kann. Trotz des Wissens um die Folgen und der vielen Ratschläge zu effektiverem Zeitmanagement scheint es, als würden viele Menschen weiterhin ihren To-Do-Listen aus dem Weg gehen. Doch was genau treibt uns dazu, wichtige Aufgaben auf später zu verschieben? Verschiedene Studien und Expertenmeinungen zeigen, dass neben Angst und Überforderung auch ein Mangel an Selbstwirksamkeit oder die falsche Zielsetzung entscheidende Faktoren sind.

Ursachen der Prokrastination: Angst und Überforderung

Prokrastination ist laut dem Psychologen Hannes Zacher meist wenig hilfreich und führt zu einer schlechteren Leistung. Etwa ein Viertel der Bevölkerung gibt laut seinen Erhebungen an, regelmäßig wichtige Aufgaben aufzuschieben. Die Ursachen dafür sind vielseitig und oft tief verwurzelt: Neben der Angst, Fehler zu machen, können auch Überforderung und ein Mangel an Informationen oder Ressourcen zu diesem Verhalten führen. Cordula Nussbaum, Coachin und Expertin im Zeitmanagement, beobachtet bei vielen Klienten, dass selbst hochproduktive Führungskräfte zu „Last-Minute“-Aktionen greifen, wenn der Arbeitsaufwand die verfügbaren Ressourcen übersteigt. Wer die Ursachen seines Aufschiebens erkennt, hat den ersten Schritt zur Überwindung der Prokrastination bereits getan.

Selbstwirksamkeit stärken: Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten

Personen, die wenig Vertrauen in ihre Fähigkeiten haben, neigen laut Zacher stärker zur Prokrastination. Oft fehlt es ihnen an der sogenannten „Selbstwirksamkeit“, dem Glauben, dass man die Kontrolle über seine Aufgaben hat und sie erfolgreich bewältigen kann. Zacher empfiehlt hierbei konkrete Schritte: kleine Belohnungen für jedes pünktlich abgeschlossene Projekt, das Ermutigen vor herausfordernden Aufgaben und die Suche nach Vorbildern, die ähnliche Aufgaben bereits erfolgreich gemeistert haben. Ein solches Umfeld kann das Selbstvertrauen stärken und damit auch die Bereitschaft, Aufgaben proaktiv anzugehen.

Die richtigen Ziele setzen: S.M.A.R.T. als Wegweiser

Die Arbeitswelt wird zunehmend komplexer, wodurch klare und greifbare Ziele für Menschen, die zu Prokrastination neigen, essenziell werden. Hannes Zacher nutzt hierfür das „S.M.A.R.T.“-Prinzip, um Ziele so zu definieren, dass sie motivierend und erreichbar sind:

  • Spezifisch: Ziele sollten klar und konkret formuliert sein.
  • Messbar: Nur messbare Ziele schaffen eine greifbare Erfolgserfahrung.
  • Attraktiv: Wenn wir von unserem Ziel überzeugt sind, fällt das Dranbleiben leichter.
  • Realistisch: Ziele sollten ambitioniert, aber nicht überfordernd sein.
  • Terminiert: Eine klare Deadline oder Zwischenziele helfen, den Fortschritt im Auge zu behalten.

Ein gut strukturiertes Ziel kann helfen, die Motivation aufrechtzuerhalten und die Versuchung des Aufschiebens zu minimieren.

Bewusste Entscheidungen statt endlosem Aufschieben

Ein weiterer Tipp von Nussbaum betrifft das bewusste Verschieben von Aufgaben. Wer bewusst entscheidet, eine Aufgabe neu zu terminieren, übernimmt Verantwortung und setzt damit klare Fristen. Dies unterscheidet sich stark von der klassischen Prokrastination, bei der Aufgaben endlos ohne neue Terminsetzung verschoben werden und oft äußere Umstände für die Verzögerung verantwortlich gemacht werden.

Unterstützung durch das Umfeld: Positiver sozialer Druck

Prokrastination kann auch durch Unterstützung im sozialen Umfeld überwunden werden. Das Einbeziehen von Kollegen oder Freunden, die regelmäßig nach dem Fortschritt der Aufgabe fragen, kann einen motivierenden sozialen Druck erzeugen. Cordula Nussbaum empfiehlt, diese Art der Unterstützung gezielt zu suchen. Ein solcher „Accountability Partner“ kann helfen, an Aufgaben dranzubleiben und die Fortschritte zu reflektieren, was die Wahrscheinlichkeit von Aufschieberitis erheblich senkt.

Zeitdruck simulieren: Die Stoppuhr als Trick gegen das Aufschieben

Oft erscheint eine Aufgabe aufwendiger als sie tatsächlich ist. Der Trick, den Aufwand objektiv zu messen, kann helfen, die Hemmschwelle zu senken. Eine einfache Stoppuhr kann hier bereits einen Unterschied machen: Wird eine Aufgabe einmal unter Zeitdruck bearbeitet und gemessen, zeigt sich häufig, dass sie weniger Zeit in Anspruch nimmt als gedacht. Diese Methode kann helfen, eine positive Routine zu etablieren und das Aufschieben zu minimieren.

Prokrastination bei positiven Aktivitäten: Ein Rätsel der Motivation

Die Bestsellerautorin Nicole Staudinger beschäftigt sich in ihrem Buch „Bin fast fertig, muss nur noch anfangen“ mit einem Phänomen, das vielen Menschen bekannt ist: das Aufschieben von Tätigkeiten, die eigentlich positiv oder sogar spaßig sind. Staudinger erklärt, dass unser Gehirn auf positive Anreize besser reagiert („Brain runs on fun“) und stellt die Frage, warum wir dann auch Dinge aufschieben, die wir eigentlich gerne tun. Sie empfiehlt, Aufgaben auf kleine Zeitblöcke zu verteilen, was das subjektive Zeitproblem löst und hilft, unliebsame Aufgaben schneller zu beginnen und abzuschließen.

Künstliche Verknappung als Motivation

Ein weiterer psychologischer Trick, der die Anstrengung verkürzt erscheinen lässt, ist die künstliche Verknappung. Staudinger schlägt vor, sich eine Aufgabe für nur fünf Minuten vorzunehmen, mit dem Ziel, in dieser kurzen Zeitspanne so viel wie möglich zu erledigen. Diese Methode fördert den schnellen Einstieg, und oft zeigt sich, dass die eigentliche Arbeit weniger belastend ist als erwartet. Die Erleichterung nach Abschluss ist zudem eine lohnende Belohnung und fördert die Bereitschaft, in Zukunft schwierige Aufgaben direkt anzugehen.

Zukunftsperspektiven: KI-Kompetenz als Schlüsselqualifikation

Die Digitalisierung verändert das Verständnis von Arbeit grundlegend. Die Fähigkeit, KI-Tools zur Unterstützung des Schreibprozesses zu nutzen, könnte bald eine wichtige Voraussetzung im Berufsleben werden. Studierende und Hochschulabsolventen sollten laut Anja Matthiä schon früh lernen, digitale Werkzeuge wie ChatGPT und Co. in ihren Arbeitsalltag zu integrieren. So wird die Wissenschaft um eine Facette reicher, die den Übergang von Ideen zur finalen Ausarbeitung effizienter und motivierender gestalten könnte.

Produktivität durch Eigenverantwortung und digitale Tools

Prokrastination mag eine allgegenwärtige Herausforderung sein, doch mit bewussten Strategien und der Bereitschaft, sich auf digitale Hilfsmittel einzulassen, kann die Hürde des Aufschiebens überwunden werden. Die genannten Tipps – von klaren Zielen und der Stärkung der Selbstwirksamkeit bis hin zum bewussten Einbeziehen des Umfelds und der Nutzung digitaler Werkzeuge – bieten praktische Ansätze für ein selbstbestimmtes Arbeiten und die Kontrolle über die eigenen Aufgaben. Wer dies verinnerlicht, findet eine effektive und nachhaltige Lösung gegen das Aufschieben und schafft Raum für mehr Freude an der eigenen Produktivität.

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