ChatGPT will künftig Kaufberatung anbieten

OpenAI, das Unternehmen hinter dem KI-Chatbot ChatGPT, erweitert seine Plattform um eine Funktion, die die digitale Produktsuche revolutionieren könnte: personalisierte, unbezahlte Kaufberatung. Damit positioniert sich der Chatbot nicht nur als Alternative zu traditionellen Preisvergleichsportalen wie Idealo, sondern auch als direkter Konkurrent von Googles gewinnbringender Produktsuche.

Während bislang Suchmaschinen wie Google oder spezialisierte Vergleichsseiten bei der Auswahl und Darstellung von Produktangeboten eine zentrale Rolle spielten, tritt ChatGPT nun mit einem innovativen, KI-basierten Ansatz auf den Plan. In einer Live-Demonstration stellte OpenAI die neue Funktion anhand der Frage „Welche Espressomaschine unter 200 Dollar kommt dem italienischen Kaffeegeschmack am nächsten?“ vor. Die KI präsentierte mehrere Produktempfehlungen – inklusive Bilder, Preisangaben und Links zu Onlinehändlern.

Im Unterschied zu Google basiert die Produktauswahl von ChatGPT nicht auf Werbeplatzierungen oder bezahlten Kooperationen mit Händlern. Laut Adam Fry, einem verantwortlichen Manager bei OpenAI, stammen die angezeigten Informationen aus Kooperationen mit nicht näher benannten Partnern, die aktuelle Preis- und Verfügbarkeitsdaten liefern. Ein Monetarisierungsmodell über Anzeigen, wie es Google in der Produktsuche betreibt, verfolgt OpenAI dabei ausdrücklich nicht.

Google generiert hingegen erhebliche Einnahmen durch seine Shopping-Funktion, bei der Händler gegen Bezahlung prominent aufgelistet werden. Auch Plattformen wie Idealo finanzieren sich über Listungsgebühren von Händlern, die ihre Produkte auf diesen Seiten präsentieren wollen. ChatGPT stellt damit erstmals ein potenziell disruptives Gegenmodell dar: kostenfreie, individualisierte Kaufberatung ohne kommerzielle Einflussnahme.

Eingeschränkter Start, große Ambitionen

Zum Start ist die neue Funktionalität von ChatGPT auf ausgewählte Produktkategorien begrenzt. Nutzer können derzeit Empfehlungen zu Elektronikartikeln, Mode, Kosmetikprodukten und Haushaltswaren erhalten. Trotz dieses begrenzten Umfangs plant OpenAI, das Angebot zügig auf sämtliche rund 500 Millionen aktiven Nutzer auszuweiten. Auch eine Ausdehnung auf weitere Warengruppen dürfte folgen, sobald die Funktion stabil läuft.

Besonders interessant ist die Interaktivität der Beratung: Nutzer haben die Möglichkeit, über Anschlussfragen weitere Informationen zu Produkten einzuholen oder ihre Präferenzen zu konkretisieren. Damit unterscheidet sich die Nutzererfahrung deutlich von der klassisch strukturierten Produktsuche bei Google oder Idealo, bei der vorgegebene Filter- und Sortierfunktionen dominieren.

Für etablierte Preisvergleichsseiten könnte der Vorstoß von OpenAI zur ernsten Bedrohung werden. Plattformen wie Idealo durchsuchen automatisiert eine Vielzahl von Onlineshops, um Preise, Versandkosten und Händlerbewertungen zu aggregieren. Die Ergebnisse werden anschließend nach dem günstigsten Gesamtpreis sortiert dargestellt – ein Ansatz, der zwar übersichtlich ist, aber nur begrenzt individualisiert auf Nutzerbedürfnisse eingeht.

ChatGPT hingegen kombiniert kontextbezogene Beratung mit Echtzeitdaten – eine Kombination, die bislang einzigartig ist. Sollte sich die KI-gestützte Einkaufshilfe durchsetzen, dürfte sie nicht nur bei technikaffinen Nutzern Anklang finden, sondern auch jene Zielgruppen erschließen, die eine einfache, dialogorientierte Kaufunterstützung bevorzugen.

KI-gestütztes Shopping als Teil einer größeren Strategie

Die Einführung der Einkaufshilfe ist kein isoliertes Feature, sondern Teil einer umfassenderen Weiterentwicklung der ChatGPT-Plattform. OpenAI hat auch die allgemeine Suchfunktion des Chatbots verbessert: Nutzer erhalten nun automatische Vervollständigungsvorschläge für Anfragen sowie Hinweise auf populäre oder aktuell besonders häufig gestellte Fragen. Damit nähert sich ChatGPT nicht nur funktional, sondern auch strukturell immer stärker klassischen Suchmaschinen an.

Diese technologische Weiterentwicklung könnte erhebliche Auswirkungen auf das Suchmaschinen-Ökosystem haben – besonders, wenn sich Nutzer zunehmend für eine personalisierte, werbefreie und dialogische Sucherfahrung entscheiden.

Der Vorstoß in den Shopping-Bereich blieb auch an der Börse nicht unbemerkt. So legte die Microsoft-Aktie – Microsoft ist ein enger Partner und Großinvestor von OpenAI – zeitweise um 0,29 Prozent auf 392,28 US-Dollar zu. Analysten werten die Shopping-Funktion von ChatGPT als potenziellen Wachstumstreiber für das OpenAI-Ökosystem, das durch die Integration in Microsoft-Produkte wie Bing und Edge zusätzliche Reichweite erhält.

Transparenz bleibt ein Schwachpunkt

So vielversprechend das Modell auch ist – es wirft auch Fragen auf. Zwar betont OpenAI, keine bezahlte Werbung einzusetzen, doch bleibt unklar, wer genau zu den genannten „Partnern“ gehört, die die Produktdaten liefern. Ohne transparente Angaben zur Herkunft der Informationen und zur Auswahl der gelisteten Angebote bleibt ein gewisses Maß an Intransparenz bestehen – ein Kritikpunkt, der auch bei Google häufig angeführt wird.

Mit dem Vorstoß in die Produktempfehlung mischt ChatGPT die Karten im digitalen Handelsumfeld neu. Die Kombination aus künstlicher Intelligenz, dialogbasiertem Zugang und werbefreier Darstellung könnte mittelfristig nicht nur Google und Idealo, sondern auch vielen spezialisierten Einkaufsplattformen Marktanteile streitig machen. Die klassische Produktsuche bekommt damit ernstzunehmende Konkurrenz – nicht aus dem E-Commerce selbst, sondern aus der KI-Forschung.

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