Bürgerkommunikation als Brücke zwischen Institutionen und Gesellschaft – Ein Interview mit Isabel Merchan Casado

In einer Zeit, in der viele Bürgerinnen und Bürger das Gefühl haben, von Politik und öffentlichen Institutionen nicht mehr ausreichend gehört zu werden, spielt die Bürgerkommunikation eine entscheidende Rolle. Doch wie gelingt es, den vielfältigen und oft emotionalen Anliegen der Bevölkerung gerecht zu werden? Welche Herausforderungen und Chancen ergeben sich im Umgang mit Rückmeldungen, und welche Auswirkungen hat dies auf das öffentliche Ansehen und die politische Relevanz von Institutionen?
Wir haben die Kommunikationsexpertin Isabel Merchan Casado nach ihrer Einschätzung zu diesem Thema gefragt. Isabel Merchan Casado blickt auf eine lange Laufbahn in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

Frau Merchan Casado, was versteht man unter Bürgerkommunikation, und warum ist sie ein Teil der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit?

Isabel Merchan Casado: Bürgerkommunikation bezeichnet den direkten Austausch zwischen öffentlichen Institutionen, Organisationen oder Unternehmen und der Bevölkerung. Dieser Dialog erfolgt häufig über schriftliche Anfragen wie E-Mails oder Briefe sowie telefonisch. Solche Rückmeldungen und Kontaktaufnahmen sind ein wichtiger Bestandteil der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, da sie die unmittelbare Verbindung zwischen der Institution und den Menschen „draußen“ herstellen.
Die Anliegen der Bevölkerung, die in diesem Kontext geäußert werden, sind vielfältig: Sie reichen von konstruktiven Vorschlägen über Beschwerden bis hin zu emotionalen oder in seltenen Fällen rechtlich problematischen Äußerungen. Für Institutionen bietet die Bürgerkommunikation eine Gelegenheit, die Stimmungen und Bedürfnisse in der Gesellschaft zu erfassen und entsprechend zu reagieren. Gleichzeitig kann sie genutzt werden, um transparent zu informieren und das Vertrauen in die eigene Arbeit zu stärken.

Welche Herausforderungen ergeben sich dadurch im Umgang mit den Anliegen der Bürgerinnen und Bürger, Frau Merchan Casado?

Isabel Merchan Casado: Die größte Herausforderung liegt in der Vielfalt der Mitteilungen, die von der Bevölkerung eingehen. Während einige Rückmeldungen sachlich und konstruktiv sind, können andere sehr emotional oder aggressiv ausfallen. In manchen Fällen überschreiten Inhalte die Grenze zur Beleidigung oder drohen in den strafrechtlichen Bereich abzudriften.
Eine professionelle Bearbeitung dieser Eingaben erfordert daher klare Prozesse und ein hohes Maß an Sensibilität. Es gilt, fundierte Kritik und Verbesserungsvorschläge von destruktiven oder unsachlichen Kommentaren zu unterscheiden. Darüber hinaus sollten Mitarbeitende in der Lage sein, auch bei schwierigen oder feindseligen Rückmeldungen ruhig und respektvoll zu agieren. Strafrechtlich relevante Äußerungen müssen konsequent behandelt werden, etwa durch Weiterleitung an die zuständigen Stellen, ohne jedoch die Dialogbereitschaft der Institution insgesamt infrage zu stellen.

Wie sieht ein idealer Umgang mit Rückfragen und Mitteilungen aus der Bevölkerung aus?

Isabel Merchan Casado: Ein idealer Umgang mit Bürgeranfragen basiert auf den Prinzipien Respekt, Offenheit und Verlässlichkeit. Jede Rückmeldung, unabhängig von ihrer Tonalität, sollte wertschätzend behandelt werden. Auch wenn Inhalte emotional aufgeladen sind, drückt sich darin das Bedürfnis der Menschen aus, ihre Meinungen und Probleme zu äußern. Eine respektvolle Reaktion signalisiert nicht nur, dass die Anliegen ernst genommen werden, sondern kann auch Vertrauen und Verständnis fördern.
Darüber hinaus ist Transparenz in der Kommunikation entscheidend. Institutionen sollten klar und nachvollziehbar erklären, wie sie mit den Anfragen umgehen und warum bestimmte Anliegen möglicherweise nicht erfüllt werden können. Diese Offenheit schafft Vertrauen und verhindert Missverständnisse, da Bürgerinnen und Bürger die Entscheidungen und Prozesse besser nachvollziehen können. Ebenso wichtig ist Verlässlichkeit. Menschen erwarten, dass ihre Anliegen nicht nur ernst genommen, sondern auch zeitnah bearbeitet werden. Schnelle und verbindliche Antworten sind ein klares Zeichen dafür, dass ihre Rückmeldungen Priorität haben. Ein solcher Umgang stärkt die Glaubwürdigkeit der Institution und trägt wesentlich zu einer positiven Außenwahrnehmung bei. Diese Prinzipien helfen dabei, einen positiven Dialog zu gestalten und die Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger zu erhöhen.

Welche Bedeutung hat der Umgang mit Eingaben und Rückmeldungen für die Außendarstellung Ihrer Erfahrung nach, Frau Merchan Casado?

Isabel Merchan Casado: Die Art und Weise, wie Institutionen mit Mitteilungen und Anliegen der Bevölkerung umgehen, prägt unmittelbar ihr öffentliches Image. Ein respektvoller, offener und professioneller Dialog signalisiert Bürgernähe und Verantwortungsbewusstsein. Dies kann das Vertrauen in die Institution deutlich stärken und zu einem positiven Ruf beitragen.
Andererseits birgt ein unprofessioneller Umgang – etwa durch Verzögerungen, Ignoranz oder unfreundliche Reaktionen – das Risiko von Reputationsverlust. Besonders in Zeiten von Krisen, in denen viele Menschen schnell Antworten suchen, zeigt sich, wie wichtig ein gut organisierter und kompetenter Umgang mit Rückfragen und Beschwerden ist. Die Bürgerkommunikation ist somit nicht nur ein Service, sondern auch ein strategisches Werkzeug der Außendarstellung.

Welche politische Relevanz hat der Umgang mit Rückmeldungen aus der Bevölkerung?

Isabel Merchan Casado: Politisch gesehen ist die Bürgerkommunikation von großer Bedeutung, da sie als direkte Verbindung zwischen der Bevölkerung und politischen Entscheidungsträgern fungiert. Sie bietet eine Möglichkeit, gesellschaftliche Stimmungen zu erfassen, und kann als Frühwarnsystem für Fehlentwicklungen dienen. Darüber hinaus zeigt sie der Bevölkerung, dass ihre Stimme gehört wird. In einer Zeit, in der viele Menschen das Gefühl haben, von Politik und Verwaltung entfremdet zu sein, kann ein offener und respektvoller Umgang mit Eingaben Vertrauen zurückgewinnen und politische Partizipation fördern. Institutionen und Politiker, die Rückmeldungen ernst nehmen und in Entscheidungsprozesse einfließen lassen, können Glaubwürdigkeit und Zustimmung gewinnen.

Kann die Bürgerkommunikation dabei helfen, den Eindruck zu widerlegen, dass Institutionen sich von den Menschen distanziert haben?

Isabel Merchan Casado: Absolut. Die Bürgerkommunikation hat das Potenzial, eine Brücke zwischen Institutionen und der Bevölkerung zu schlagen. Sie kann zeigen, dass Politik und Verwaltung nahbar und offen für den Dialog sind. Dies ist besonders in einer polarisierten Gesellschaft von großer Bedeutung, in der oft der Eindruck entsteht, dass die Interessen der Bürger nicht ausreichend berücksichtigt werden. Durch respektvollen Austausch können Missverständnisse ausgeräumt und im Idealfall Gräben überwunden werden. Menschen fühlen sich gehört und ernst genommen, was nicht nur die Zufriedenheit steigert, sondern auch den sozialen Zusammenhalt fördern kann. Gleichzeitig ist es wichtig, realistische Erwartungen zu setzen, um Enttäuschungen zu vermeiden.

Wir bedanken uns vielmals für das ausführliche Interview und die spannenden Einblicke, Frau Merchan Casado!

 

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