Bürgergeld Studie: Gelder fließen immer mehr in die Verwaltung

Das 2023 eingeführte Bürgergeld, das Hartz IV abgelöst hat, steht zunehmend in der Kritik. Eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass ein erheblicher Teil der finanziellen Mittel nicht direkt den Leistungsbeziehern zugutekommt, sondern für Verwaltungsaufgaben aufgewendet wird. In einigen Jobcentern fließen bis zu 70 Prozent der Mittel in den Verwaltungsapparat. Insgesamt sind die Verwaltungsausgaben in den letzten zehn Jahren um 39 Prozent auf 6,5 Milliarden Euro gestiegen, während für die direkte Arbeitsmarktintegration lediglich 3,8 Milliarden Euro bereitstanden. Kritiker argumentieren, dass eine effizientere Nutzung der Mittel dringend notwendig sei, um mehr Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Defizite in der Arbeitsvermittlung

Die Kritik an der aktuellen Ausgestaltung des Bürgergeldes konzentriert sich auf zwei zentrale Aspekte: Einerseits absorbiert die Verwaltung erhebliche Ressourcen, andererseits bleibt die Arbeitsvermittlung hinter den Erwartungen zurück. Laut Bertelsmann Stiftung hat sich der Fokus der Jobcenter verlagert – weniger auf die Vermittlung von Arbeitslosen, sondern stärker auf den administrativen Prozess. Seit der Einführung des Bürgergeldes ist die Zahl erfolgreicher Arbeitsmarktintegrationen um sechs Prozent gesunken.

Zudem beklagen Unternehmen einen zunehmenden Fachkräftemangel, während gleichzeitig viele Bürgergeld-Empfänger nicht ausreichend qualifiziert oder motiviert sind, eine Beschäftigung aufzunehmen. Es besteht daher ein dringender Handlungsbedarf, um das bestehende System effektiver zu gestalten und die Menschen gezielt in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Reformforderungen: Mehr Anreize zur Arbeitsaufnahme

Experten betonen, dass eine konsequentere Umsetzung des Prinzips „Fordern und Fördern“ notwendig sei. Junge Arbeitslose sollten gezielt durch Qualifizierungsmaßnahmen auf eine Erwerbstätigkeit vorbereitet werden. Gleichzeitig wird empfohlen, Sanktionen für diejenigen, die Termine versäumen oder Arbeitsangebote ablehnen, früher und stringenter anzuwenden.

Ein weiterer Vorschlag ist die Einführung eines gestaffelten Anreizsystems, das den Übergang von Sozialleistungen in eine reguläre Beschäftigung erleichtert. Beispielsweise könnten Freibeträge für hinzuverdientes Einkommen erhöht oder befristete Bonuszahlungen für den Einstieg in den Arbeitsmarkt eingeführt werden. Dadurch ließe sich die Attraktivität einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung deutlich steigern.

Reformpläne der CDU

CDU-Chef Friedrich Merz plant eine tiefgreifende Reform des Bürgergeldes mit dem Ziel, das System zu einer „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ umzustrukturieren. Wer mehrfach Arbeitsangebote ablehnt, soll künftig den Anspruch auf Leistungen verlieren. Zudem will die Union den abgeschafften Vermittlungsvorrang wiedereinführen, sodass die Jobcenter Arbeitslose vorrangig in eine Anstellung vermitteln, anstatt sie primär in Weiterbildungsmaßnahmen zu schicken.

Darüber hinaus plant die CDU eine verstärkte Kooperation mit der Wirtschaft, um gezielt Qualifikationslücken zu schließen. Unternehmen sollen verstärkt in die Arbeitsmarktintegration eingebunden werden, beispielsweise durch maßgeschneiderte Umschulungs- und Weiterbildungsprogramme. Diese könnten dazu beitragen, die Beschäftigungsfähigkeit der Leistungsbezieher zu verbessern und den Fachkräftemangel abzumildern.

Fehlanreize für Erwerbstätige

Ein weiteres Problem ist der geringe finanzielle Anreiz zur Aufnahme einer Arbeit. Rund 830.000 Bürgergeld-Empfänger sind sogenannte „Aufstocker“, deren Einkommen aus Erwerbstätigkeit nicht ausreicht, um ihren Lebensunterhalt zu decken. Da Sozialleistungen mit steigendem Einkommen schrittweise abgeschmolzen werden, lohnt sich für viele eine Vollzeitstelle finanziell kaum. Diese Fehlanreize führen dazu, dass viele Betroffene in der Bürgergeld-Abhängigkeit verbleiben, anstatt eigenständig ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Experten schlagen vor, das bestehende Anrechnungssystem zu überarbeiten, sodass der finanzielle Vorteil einer Beschäftigung klarer erkennbar wird. Denkbar wäre eine schrittweise Reduzierung der Transferleistungen erst ab einem höheren Einkommensniveau oder die Einführung eines „Einstiegsgehaltszuschusses“ für ehemalige Bürgergeld-Empfänger.

Effizientere Mittelverwendung gefordert

Um die Wirksamkeit des Bürgergeldes zu verbessern, schlagen Experten vor, den Jobcentern verbindliche Vorgaben für die Mittelverwendung zu machen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass ein höherer Anteil der Gelder für die aktive Förderung von Arbeitslosen genutzt wird, anstatt in die Verwaltung zu fließen.

Zudem wird empfohlen, individuelle Unterstützung und gezieltes Coaching zu intensivieren, um den Weg in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. Praxisnahe Schulungsangebote, Mentorenprogramme sowie engere Kooperationen mit Arbeitgebern könnten dazu beitragen, die Arbeitsmarktintegration zu beschleunigen.

Auch eine Digitalisierungsoffensive für die Jobcenter könnte helfen, bürokratische Prozesse effizienter zu gestalten. Durch den verstärkten Einsatz von Künstlicher Intelligenz und digitalen Vermittlungsplattformen ließen sich Verwaltungsaufgaben reduzieren und mehr Ressourcen für die eigentliche Arbeitsvermittlung bereitstellen.

Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass das Bürgergeld in seiner derzeitigen Form reformbedürftig ist. Hohe Verwaltungskosten, ineffiziente Mittelverteilung und mangelnde Anreize zur Arbeitsaufnahme stehen den ursprünglichen Zielen entgegen. Eine Reform sollte darauf abzielen, die Balance zwischen sozialer Absicherung und Arbeitsförderung neu auszutarieren.

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