Altersdiskriminierung am Arbeitsmarkt durch betriebliche Vorgaben
Der Arbeitsmarkt steht vor einem tiefgreifenden demografischen Wandel, doch anstatt ältere Beschäftigte als wertvolle Ressource zu begreifen, stoßen viele von ihnen auf verschlossene Türen. Unternehmen betonen zwar öffentlich ihre Offenheit gegenüber Bewerbern „jeden Alters“, doch die Realität zeigt ein anderes Bild: Mit zunehmendem Alter sinken die Chancen auf einen erfolgreichen Jobwechsel deutlich – selbst bei hoher Qualifikation und jahrzehntelanger Erfahrung.
Die Widersprüche könnten größer kaum sein. Auf der einen Seite klagen Arbeitgeber über fehlende Fachkräfte, auf der anderen Seite fällt es Menschen über 50 immer schwerer, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Laut einer Untersuchung des Beratungsunternehmens von Rundstedt in Zusammenarbeit mit HR Today bekennen sich zwar rund zwei Drittel der Schweizer Unternehmen zur gezielten Rekrutierung älterer Mitarbeiter, tatsächlich umgesetzt wird dieses Vorhaben aber nur bei jedem fünften Betrieb. Noch deutlicher zeigt sich die Diskrepanz bei der Weiterbeschäftigung über das reguläre Rentenalter hinaus: Während 57 Prozent der befragten HR-Verantwortlichen diese Idee grundsätzlich befürworten, setzen sie nur 43 Prozent auch in der Praxis um.
Eine aktuelle Erhebung des Arbeitsmarktservice Österreich verdeutlicht zudem, wie gravierend die Situation ist. Im September waren über 90.000 Menschen über 50 arbeitslos – ein Anstieg von 7,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Viele dieser Betroffenen bewerben sich unermüdlich, werden aber ignoriert oder erhalten Absagen, die oft unausgesprochen mit dem Alter zusammenhängen. Die Folgen sind nicht nur wirtschaftlicher Natur, sondern auch psychisch belastend.
Altersdiskriminierung – ein strukturelles Problem
Berater wie Georg Scheiber von der Unternehmensberatung von Rundstedt erleben täglich, wie schwer es ältere Bewerber haben. Während vor wenigen Jahren ein Jobwechsel für Menschen um die 50 im Durchschnitt innerhalb von vier bis fünf Monaten gelang, dauert er heute meist sieben bis acht Monate. Bewerber über 60 warten häufig ein Jahr oder länger. Dabei sind diese Zuschreibungen weniger Ergebnis objektiver Defizite als Ausdruck tief verankerter Vorurteile.
Unternehmen übersehen damit eine entscheidende Stärke erfahrener Mitarbeiter: Sie verfügen über strategisches Wissen, über Netzwerke und ein ausgeprägtes Verständnis für komplexe Zusammenhänge. Studien zeigen zudem, dass Teams mit einer Mischung aus jungen und älteren Beschäftigten innovationsfähiger und belastbarer sind.
Strategien für den erfolgreichen Jobwechsel
Für viele Beschäftigte jenseits der Lebensmitte bleibt der Jobwechsel dennoch ein Kraftakt. Besonders nach einer Kündigung sind Unsicherheit und Selbstzweifel groß. Karriereberater empfehlen deshalb, zunächst an der eigenen Wahrnehmung zu arbeiten. Wer verunsichert auftritt, hat schlechtere Chancen – unabhängig von der Qualifikation. Eine einfache, aber wirkungsvolle Methode besteht darin, Rückmeldungen von Kollegen, Vorgesetzten oder langjährigen Geschäftspartnern einzuholen. Dieses Feedback hilft, die eigenen Stärken klarer zu erkennen.
Zudem sollten Bewerber messbare Erfolge aus früheren Tätigkeiten herausarbeiten – etwa Prozessoptimierungen, Umsatzsteigerungen oder Projektverbesserungen. Solche konkreten Nachweise schaffen Glaubwürdigkeit und zeigen potenziellen Arbeitgebern, welchen Wert ein Bewerber tatsächlich bietet.
Kontinuierliche Weiterbildung spielt heute eine entscheidende Rolle. Besonders für Beschäftigte, die lange in einem Unternehmen tätig waren, ist es wichtig, externe Kurse und Coachings zu absolvieren. Nicht allein das Wissen selbst, sondern die Bereitschaft, Neues zu lernen, signalisiert Offenheit und Anpassungsfähigkeit – zentrale Faktoren in der Bewerberauswahl. Entscheidend ist dabei jedoch, dass Weiterbildungsmaßnahmen zum eigenen Profil passen und eine stimmige berufliche Geschichte ergeben.
Gesellschaftlicher Handlungsbedarf
Das Problem der Altersdiskriminierung ist nicht nur eine individuelle Herausforderung, sondern ein strukturelles Versagen der Arbeitswelt. Während Politik und Wirtschaft regelmäßig über den Fachkräftemangel diskutieren, bleiben konkrete Maßnahmen für ältere Arbeitskräfte aus. Dabei wird ihr Potenzial in den kommenden Jahren dringend gebraucht: Laut Berechnungen des WIFO müsste allein in Österreich die Zahl der 60- bis 64-jährigen Erwerbstätigen bis 2030 um über 70.000 steigen, um das Rentensystem zu stabilisieren.
Dafür braucht es jedoch geeignete Rahmenbedingungen. Arbeitsmarktpolitische Anreize, wie Boni für Unternehmen, die gezielt ältere Mitarbeitende einstellen oder weiterbeschäftigen, könnten dazu beitragen. Auch die geplante steuerliche Begünstigung von Erwerbstätigen in der Pension – etwa durch eine Flat Tax von 25 Prozent – ist ein Schritt in die richtige Richtung. Wer im Ruhestand beispielsweise 1.000 Euro monatlich hinzuverdient, könnte künftig 750 Euro netto behalten. Das würde Arbeit im Alter attraktiver machen und zugleich den Erfahrungsschatz dieser Generation im Erwerbsleben halten.
Neue Perspektiven auf Karriere und Zufriedenheit
Dass berufliche Veränderungen auch in späteren Lebensphasen positive Effekte haben, zeigt das Beispiel von Isabel Bonacker. Sie trat erst mit Mitte 40 in das Familienunternehmen Babor Beauty Group ein, nachdem sie zuvor verschiedene Stationen durchlaufen hatte – von der Unternehmensberatung über Stiftungsmanagement bis zur gemeinnützigen Arbeit. Ihre sogenannte „Mosaikkarriere“ steht sinnbildlich für ein modernes Verständnis von Berufswegen: weniger linear, dafür bewusster gestaltet.
Forschungen bestätigen diesen Trend. Eine Langzeitstudie der London School of Economics kam zu dem Ergebnis, dass Beschäftigte, die den Arbeitgeber wechseln, langfristig zufriedener sind. Nach jedem Wechsel steigt die Arbeitszufriedenheit deutlich an – ein Effekt, der sich bei wiederholten Wechseln sogar verstärkt. Der sogenannte „Honeymoon-Effekt“ beschreibt, dass ein Neuanfang im Beruf ähnlich belebend wirken kann wie in einer persönlichen Beziehung.
Die Vorstellung, dass ältere Arbeitnehmer weniger leistungsfähig oder anpassungsfähig seien, widerspricht nicht nur den Fakten, sondern auch den Bedürfnissen einer alternden Gesellschaft. Der Fachkräftemangel lässt sich ohne die aktive Einbindung der Generation 50plus nicht lösen. Unternehmen, die ihre Personalpolitik neu denken und Altersdiversität gezielt fördern, sichern sich Wettbewerbsvorteile – nicht nur durch Wissen und Erfahrung, sondern auch durch Loyalität und Stabilität.